Von 0 auf 100 ein Fall für die Pole Position:
"F1 2010" für Konsole und PC am Prüfstand

Es mag ein ein brillanter Zufall sein, dass das offizielle Videospiel zur Formel 1 ausgerechnet in einer Saison erschienen ist, die seit Jahren die spannendste ist. Dadurch sind eigentlich ideale "Rennbedingungen" für Entwickler Codemasters geschaffen, den bislang größten Release der Firmengeschichte vom Stapel zu lassen. Aber ist das Spiel zur Königsklasse wirklich gelungen? Oder muss vielleicht die schwarze Flagge gezückt werden? NEWS.at hat sich angesehen, ob die Formel 1 endlich wieder einen ordentlichen Vertreter für Konsole und PC bekommen hat.

Das Thema Formel 1 ist in der prädestinierten Welt der Videospiele seit Jahren ein leidiges gewesen, weil Sony als Exklusivpartner der FIA von 2002 bis 2006 für seine Konsolen nichts Brauchbares mit der Lizenz anzufangen wusste und diese letztlich bis 2009 sogar brach gelegen ist. Mit Codemasters hat sich nun aber ein Entwickler der Sache angenommen, der bereits mit millionenfach verkauften Titeln wie "Colin McRae: Dirt" oder "Race Driver: GRID" mehrmals unter Beweis stellen konnte, wo der Hammer im digitalen Motorsport hängt. Und zwar für alle wichtigen Plattformen.

Lizenz zum Rasen
Mit der offiziellen Lizenz der FIA enthält "F1 2010" zunächst einmal wichtige Grundvoraussetzungen: Alle Fahrer, Teams, Strecken und nicht zuletzt das Reglement der aktuellen Saison sind mit an Bord. Den Kern des Spiels stellt der üppige Karrieremodus dar, in dem man sich als unbekannter F1-Pilot bis zu sieben Saisonen lang mit Hamilton, Vettel, Schumacher und Co. messen muss.

Als Rookie kann man anfangs nur bei einem der kleinen Konstrukteure anheuern und muss sich zunächst gegen den Teamkollegen bewähren. Erst bei Erfüllung der vom Team vorgegebenen Saisonziele ist entweder eine Vertragsverlängerung als Nummer 1 oder der Aufstieg zu einem hochwertigeren Arbeitgeber möglich. Für eine kürzere Session im F1-Zirkus bieten sich zum einen die Modi Einzelrennen und Zeitfahren an. Zum anderen kann man natürlich in mehreren Multiplayer-Modi online auch gegen "echte" Fahrer antreten.

Alles kann, muss aber nicht sein
Bemerkenswert an "F1 2010" ist der hohe Individualisierunggrad, mit dem sich das Rennumfeld und somit auch der Schwierigkeitsgrad gestalten lässt. Von konkreter Renndistanz und Dauer des Grand-Prix-Wochenendes über Intelligenz der Computergegner und Genauigkeit des F1-Reglements bis zu den Einstellungsmöglichkeiten der Boliden selbst wurde kein Parameter ausgelassen. Das Beste daran ist freilich, dass all diese Faktoren auch einen deutlichen Unterschied ausmachen.

Der weniger ambitionierte Fahrer kann somit beispielsweise nur eine Trainings- und Qualifying-Einheit vor dem Rennen absolvieren, mit reduziertem Regelwerk auf die Piste und das gesamte technische Setup des Wagens sowie den Boxenstopp automatisch vornehmen lassen. Der Vollblut-Fan hingegen legt vor dem Rennen das dreifache Pensum hin, schraubt den Schwierigkeitsgrad hoch, deaktiviert alle Fahrhilfen und modifiziert seinen Flitzer von Tankfüllung über Reifendruck bis Getriebeanstufung selbst.

Trotzdem muss an dieser Stelle betont werden, dass "F1 2010" wohl eher Vielspieler und F1-Fans anspricht als gelegentliche Tastendrücker. Allein schon der Umstand, dass die kürzesten absolvierbaren Rennen 20 Prozent der originalen Distanz ausmachen, dürfte die Casuals im Karriererennen ein wenig vor den Kopf stoßen. Und selbst der leichteste Schwierigkeitsgrad kann ungeübte Spieler schon vor eine harte Prüfung stellen.

Apropos harte Prüfung: Für alle verpflichtend sind leider die langweiligen Interviews, die man im Karriere-Modus nach jedem Rennen geben muss. Was an sich sicherlich eine nette Idee gewesen wäre, entpuppt sich als lästige Pflicht, weil man ständig das gleiche Set an Multiple-Choice-Antworten zur Verfügung gestellt bekommt und auch noch immer von der gleichen Reporterin gequält wird.

Viel PS unter der Haube, wenig Unterstützung
Aus technischem Standpunkt weiß "F1 2010" auf voller Linie zu überzeugen. Als Basis verwendete Codemasters die detailreiche EGO-Engine, die bereits bei "Colin McRae: Dirt" und "Race Driver: GRID" ihre Polygon-Muskeln spielen ließ und erweiterte die Technologie - der Königsklasse entsprechend - um ein höheres Geschwindigkeitsgefühl und aerodynamische Parameter. Abgerundet wird das glaubwürdige Fahrfeeling durch dynamische Wettereffekte. Toll umgesetzt sind auch die Boxenstopps, in denen dank Motion-Capturing-Verfahren lebendiges Treiben herrscht.

Will man auf hohem Niveau jammern, so könnte man sich aus technischer Sicht über den schwach abgestimmten Boxenfunk beschweren. Abgesehen davon, dass man im Rennen viel zu wenig akustische Infos über den Rennverlauf bekommt, reagiert der "Renn-Souffleur" auch recht träge auf das eigene Verhalten. Zudem kann man sich auch nicht immer auf die vermeintlich unterstützende Stimme verlassen: So wird man beispielsweise dann gerne in die Box geschickt, wenn alle anderen auch den obligatorischen Stopp einlegen. Mit der Konsequenz, aufgrund des Hochbetriebs in der Boxengasse wertvolle Sekunden liegenzulassen.

NEWS.at-FAZIT
Im Gegensatz zu Michael Schumacher ist Codemasters mit "F1 2010" ein eindrucksvolles Comeback gelungen: Endlich hat die Formel 1 in der Welt der Videospiele wieder ein Zuhause gefunden, das sie würdig vertritt. Das Fahrgefühl ist erstklassig, der Individualisierunggrad lässt keine Wünsche offen und optisch hat der F1-Zirkus auf Konsole und PC noch nie besser ausgesehen. Lediglich gelegentliche "Knopferldrücker" sollten vorgewarnt sein, einen zeitintensiven Brocken aufgetischt zu bekommen. Dafür hat das Grand-Prix-Wochenende für F1-Fans jetzt sieben Tage. (Benjamin Brandtner)

Wertung: NEWS.at-Burner

Info:
System: PC, Xbox360, Playstation 3
Genre: Renn-Simulation
Entwickler: Codemasters Birmingham
Publisher: Codemasters