LG Wing im Test

LG Wing im Test

Auf den ersten Blick sieht das LG Wing wie viele andere Smartphones aus. Mit einem Handgriff kommt jedoch ein zweiter Bildschirm zum Vorschein, der ganz neue Multitasking-Möglichkeiten offenbart

Es ist nicht einfach, aus der Masse an Smartphones herauszustechen. Ein Hersteller, dem das mit ungewöhnlichen Handy-Konzep­ten immer wieder gelingt, ist LG: Man denke nur an das LG Flex mit geschwungenem Display oder das modulare LG G5. Den spannenden Ideen standen aber oft diverse Kinderkrankheiten und eine nur mäßige Verarbeitung gegenüber. Die neueste Innovation nennt sich Wing und ist ein Smartphone, das auf jeden Fall Blicke auf sich zieht. Ob das Dual-Display-Telefon auch in der Praxis überzeugt, haben wir uns angesehen.

Solide Basis

In zusammengeklapptem Zustand sieht das Wing wie ein gewöhnliches Mobiltelefon aus. Erst beim Hoch­heben fällt auf, dass es dicker und ein gutes Stück schwerer ist als andere Geräte mit ähnlich großem Bildschirm. Das 60-Hz-OLED-Display ist scharf, bietet satte Farben und lässt sich auch im Freien gut ablesen. Da LG sich für eine ausfahrbare Frontkamera entschieden hat, gibt es keine störende Displayaussparung.

Die Verarbeitung des Oberklassen-Smartphones ist sehr gut. Auch die Leistungsdaten stimmen. Der Snap­dragon-765G-Prozessor sorgt für ein flottes Arbeitstempo, 8 GB RAM sind mehr als genug, und der mit 128 GB großzügig dimensionierte Speicher lässt sich bei Bedarf per microSD-Karte erweitern. Dank 5G ist das Wing außerdem für die Zukunft gerüstet.

An der Akkulaufzeit gibt es ebenfalls wenig zu bemängeln. Wird hauptsächlich ein Bildschirm verwendet, sind zwei Tage drin, wer hingegen oft beide Displays nutzt, wird das Wing täglich aufladen müssen.

Gefinkelter Drehmechanismus

So weit, so unspektakulär. Was das Wing jedoch von allen anderen Geräten am Markt abhebt, ist sein Dreh­mechanismus. Wird der Bildschirm am unteren rechten Rand mit dem Daumen nach links geschoben, dreht sich das Display ins Querformat und darunter kommt der 3,9 Zoll große Zweitbildschirm zum Vorschein. Den Dreh­mechanismus hat LG ausgezeichnet hinbekommen. Er wirkt weder experimentell noch wackelig, sondern solide und ausgereift.

Ein zweiter Bildschirm ist an sich zwar nett, doch entscheidend ist die Software und was diese damit macht. Das simpelste Szenario sind zwei Apps, die gleichzeitig verwendet werden. YouTube schauen und chatten, News lesen und den Musikplayer bedienen, Mails verfassen und Adressen nachschlagen – wer oft zwischen zwei Apps hin- und herwechselt, wird mit dem Zweitdisplay seine Freude haben. Zwar lassen sich aufgrund seiner kompakten Ausmaße nicht alle Apps ähnlich komfortabel darauf nutzen wie am großen Bildschirm, doch sofern keine Tastatureingaben nötig sind, bleiben viele Apps erstaunlich gut bedienbar.

Dual-Display-Anwendungen

Dann gibt es noch Apps, die beide Bildschirme verwenden. LG hat die Galerie so angepasst, dass das Bild am kleinen Bildschirm ausgewählt und am großen angezeigt wird. Und im Rennspiel Asphalt 9 wird beispielsweise unten die Karte mit dem Strecken­verlauf dargestellt. Solche Apps zeigen, welches Potenzial in einem Gerät mit zwei Displays steckt, doch leider sind sie die Ausnahme und es ist zu befürchten, dass nur wenige Entwickler auf LGs Dual-Display-Zug aufspringen werden.

Wackelfreie Videos

Eine weitere Besonderheit ist die Kamera. Im normalen Hochformat-Modus liefern die Haupt- und die Weitwinkelkamera gute bis sehr gute Bilder. Bei der dritten Kamera handelt es sich ebenfalls um eine Weitwinkelkamera, die jedoch bei gedrehtem Display für den Gimbal-Modus genutzt wird. Die Kamera zeichnet dabei einen Ausschnitt des Gesamtbilds als Full-HD-Video auf. Der Bildausschnitt lässt sich über einen virtuellen Joystick verschieben, darüber hinaus wird das Bild stabilisiert, sodass professionell wirkende Videoaufnahmen mit verwacklungsfreien Kameraschwenks entstehen. Schade ist, dass in diesem Modus keine Fotos mit der Hauptkamera geschossen werden können.

Fazit: Ohne Zweitdisplay betrachtet, ist das Wing ein gutes Oberklasse-Smartphone, das bis auf eine höhere Bild­wiederholfrequenz kaum Wünsche offenlässt. Die sehr ausgereift wirkende Drehfunktion und der zweite Bildschirm machen es zu einem Unikat, doch das hat seinen Preis: Gewöhnliche Smartphones mit einer ähnlichen Ausstattung kosten weniger als die Hälfte. Das Wing ist ein Nischenprodukt. Wer viel Nutzen aus dem doppelten Bildschirm sowie der Gimbal-Kamera ziehen kann, wird sich über LGs Experiment freuen, alle anderen werden wenig Grund sehen, einen derartigen Aufpreis dafür zu zahlen.

LG Wing

➜ 6,8"-P-OLED (2.460 x 1.080 P.), HDR; 3,9"-OLED-Zweitdispl. (1.240 x 1.080)
➜ Android 10, 5G, WLAN ac, BT 5.1, NFC
➜ 8 GB RAM, 128 GB Speicher, microSD
➜ CPU: Snapdragon 765G (max. 2,4 GHz)
➜ Kameras: 64/13/12 Mpx & 32 Mpx
➜ 169,5 x 74,5 x 10,9 mm, 260 g
➜ Preis: ca. € 1.099,-

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