Shure KSE1200 im Test

Shure KSE1200 im Test

Elektrostatische Kopfhörer thronen stets im Olymp audiophilen Sounds – doch boten bisher nur große Headphones der aufwendigen Technik genug Platz. Der KSE1200 aus dem Hause Shure vereint Detailtreue & Mobilität in einem In-Ear-Ohrhörersystem.

Wer auf der Suche nach neuen Kopfhörern die Sortimente von Elektrogroßmärkten unter die Lupe nimmt, wird wohl ausnahmslos Geräte finden, die sich des elektrodynamischen Schallwandlungsprinzips bedienen. Dieses arbeitet mit Spulen in einem Magnetfeld und ist das mit Abstand am weitesten verbreitete System, da es kostengünstig und unkompliziert in der Herstellung ist.

Elektrostatische Systeme hingegen bestehen im Kern aus einer nur wenige Mikrometer dünnen Folie, die konstant elektrisch aufgeladen wird. Die hauchdünne Membran ist außerordentlich impulstreu und löst Signale besonders hoch – bis weit über die Hörbarkeitsschwelle von ca. 20.000 Hertz – auf. Der Haken: Die Membran benötigt zum Schwingen hohe elektrische Spannung – der große Betriebsaufwand macht elektrostatische Kopfhörer empfindlich teuer.

Der kleine Schwarze

Auch der Shure KSE1200 ist alles andere als günstig – im Vergleich zu anderen elektrostatischen Systemen mit knapp 1.800 Euro jedoch geradezu ein Schnäppchen. Den unbändigen Hunger der hauchdünnen Membran nach Hochspannung stillt der schmucke kleine Kopfhörerverstärker in Schwarz, der via Miniklinkenkabel zwischen Audioquelle – etwa Smartphone oder Tablet – und Kopfhörern hängt. Die Ohrhörer selbst verbindet ein hochwertiges gewebeummanteltes Kabel, dessen sechspolige, mechanisch verriegelbare LEMO-Buchse den Kopfhörer solide mit dem Headamp verbindet. Das Einsetzen der Ohrhörer ins Ohr erfordert Geduld und etwas Übung; die Ohrpassteile aus Formschaum benötigen nach dem Zusammendrücken und Einsetzen einige Sekunden, ehe sie sich im Hörkanal wieder entfaltet haben und diesen voll ausfüllen und abdichten. Das Bedienen des Drehreglers, mit dem der Headamp eingeschaltet sowie die Lautstärke geregelt wird, ist ein Genuss – das massive Rad dreht sich leichtgängig und bis auf den Einschaltklick vollkommen geräuschlos. Die grün leuchtende LED signalisiert nun Einsatzbereitschaft.

Meine Erwartungen sind hoch, Kopfhörer im vierstelligen Eurobereich trägt man schließlich nicht jeden Tag. Pearl Jams „Can’t Deny Me“ wird unverhofft zur Hymne meines Tests, dem kristallklaren Sound vermag sich wohl kaum jemand zu verweigern. Der Beat ist voll und unglaublich rund, aber keinesfalls aufdringlich – genau so muss sich das im Studio angehört haben. Der Rhythmusgitarre spritzt der Grunge aus allen Poren, Eddie Vedders Stimme sprüht vor rauer Raffinesse.

Die Bassline in Skunk Anansies „Hedonism“ treibt mir den Schweiß auf die Stirn – so wohlig wummernd habe ich das auf Kopfhörern noch nie gehört. Die beeindruckenden Tiefen kommen auch hier ohne Überzeichnungen aus und klingen so, wie sie die Künstler und der Toningenieur ersonnen haben.

In den Goldenen Musikvereinssaal fühle ich mich versetzt, als ich Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr. 1 anspiele: Der Dialog von Streichern und Bläsern im ersten Satz bezaubert durch entwaffnende Klarheit und perlt wie feinst zerstäubtes Wasser seidig weich in meine Ohren.

Zu viel des Guten

Damit der KSE1200 allerdings so klingt, wie er soll, darf der Ausgangspegel der Audioquelle auf keinen Fall zu hoch sein, sonst drohen unschöne Verzerrungen den Genuss zu stören. Das bedeutet konkret, die Lautstärke des Handys nicht mehr als 80 Prozent aufzudrehen. Die zweite LED am Head-amp warnt mit orangem oder rotem Licht vor zu hohen Pegelspitzen, leider ist mir aber auch Clipping bei grünem Licht untergekommen. Also lieber etwas zurückdrehen, was im Endeffekt jedoch bedeutet, dass mir an manchen Stellen etwas Volumen fehlt. Alles in allem liefert das elektrostatische System aber herausragenden Klang in ausreichender Lautstärke.

Fazit: Audiophiler Sound – mit dem KSE1200 ist das selbst am Handy möglich. Top-Empfehlung! Ähnlich gute Ergebnisse sind aber auch mit elektro-dynamischen Hörern und einem guten Headamp für weniger Geld möglich.

Shure KSE1200

➜ Elektrostatisches Ohrhörersystem mit Kopfhörerverstärker für mobile Wiedergabegeräte
➜ Frequenzbereich: 10–50.000 Hz
➜ Isoliert Außengeräusche bis zu 37 dB
➜ Bis zu 12 Stunden Laufzeit
➜ 44 g (Ohrhörer), 155 g (Headamp)
➜ Preis: ca. € 1.800,–

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