'Big Brother' im Büro: Wenn der Chef den Chat mitliest

Die Überwachung der Mitarbeiter in US-amerikanischen Büros nimmt mittlerweile orwell'sche Züge an. Zurzeit werden neue Techniken entwickelt, um den E-Mail-Verkehr zu kontrollieren oder die Online-Unterhaltung - das "Instant Messaging" - unter Arbeitskollegen zu überwachen.

"Die Menschen sorgen sich, dass das FBI sie ausspionieren könnte", sagt Lewis Maltby, Präsident des Instituts für Arbeitsrecht. "Aber da liegen die Wahrscheinlichkeit bei eins zu einer Million. Die Chancen, dass ihr Arbeitgeber sie ausspioniert, sind aber 50-50."

Software-Entwickler: Keine Spionage
Von Spionage wollen die Firmen, die diese Techniken entwickeln - wie Microsoft oder America Online (AOL), natürlich nichts wissen. Unternehmen hätten doch das Recht, die Nutzung ihre Computer und Netze zu überwachen, heißt es. Sie brauchten mehr Kontrolle, um die Sicherheit ihrer Rechner garantieren und Angriffe abwehren zu können. Einige Bereiche wie Finanzdienstleister müssten ihre Kommunikation aufzeichnen, dazu seien sie gesetzlich verpflichtet.

Microsoft, AOL und Yahoo haben bereits Firmenversionen ihrer Instant-Messaging-Programme entwickelt oder sind gerade dabei. Diese verfügen über eine Archiv-Funktion, mit der Nachrichten der Mitarbeiter aufgezeichnet werden können. Andere Features erlauben es zum Beispiel festzulegen, wer mit wem kommunizieren kann. Messages an den Chef können so auf einen bestimmten Kreis von Mitarbeitern beschränkt werden.

Mails werden an Kontrolleur weitergeleitet
MessageGate, ein Spin-Off von Boeing, bietet einen E-Mail-Filter an. Dieser analysiert, identifiziert und konfisziert gegebenenfalls E-Mails, in denen verdächtige Begriffe vorkommen und leitet sie an einen Kontrolleur weiter. In Kürze soll dies auch bei Nachrichten von Instant-Messaging-Programmen möglich sein. Microsoft entwickelt eine Windows-Rechteverwaltung (Windows Rights Management), in der festgelegt werden kann, welcher Mitarbeiter welche E-Mails lesen, ausdrucken oder weiterleiten kann. Dies solle die Weitergabe wichtiger Informationen aus Unternehmen verhindern, erklärte Microsoft. Kritiker sehen darin nur einen weiteren Versuch, die Mitarbeiter zu kontrollieren.

Wer setzt diese Software ein?
Noch ist unklar wie viele Unternehmen die neuen Techniken, die ja zum Teil noch in der Entwicklung sind, einsetzen werden. Aber schon in den vergangenen Jahren haben Unternehmen wie die "New York Times", Dow Chemical, Xerox und andere Mitarbeiter "wegen unangemessener Internet-Nutzung" entlassen.

Gesetze fehlen
Was Datenschützern Sorge bereitet, ist das Fehlen von Gesetzen, die auf die Besonderheiten der Informationsgesellschaft angepasst sind. "Da gibt es eine ganze Reihe von Schwachstellen im Rechtssystem", sagt Ted Schadler von Forrester Research. Die Forderungen von Netzwerk-Administratoren nach Kontrolle und Sicherheit müssten mit dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre der Mitarbeiter in Einklang gebracht werden. "Es wird noch einige harte Prozesse geben", sagt Schadler. (apa/red)