3D-Beamer VPL-VW90 von Sony im Test: Heimkino aus einer weit entfernten Galaxie

Stereoskopisches 3D ist auch 2011 DAS Schlagwort, wenn es um Unterhaltungselektronik geht. Und während bei Fernsehern schon die zweite bzw. dritte Generation für diese Technologie heranreift, ist in anderen Bereichen noch gänzlich "Neuland" zu erschließen. Das gilt auch für die Königsklasse des Heimkinos: die Beamer. Sony, seines Zeichens Marktführer bei Projektionstechnologien für Großleinwand-Kinos, hat seit Jahresbeginn seinen ersten 3D-Beamer für den Heimgebrauch im Programm. NEWS.at hat sich den VPL-VW90 genauer ansehen können.

Schon beim Auspacken wird klar: Das ist kein herkömmlicher Heimkino-Projektor. Das liegt zum einen daran, dass der VPL-VW90ES stattliche 12 Kilo auf die Waage bringt und - dem VW85 nahezu identisch - wie ein miniaturisiertes UFO aussieht. Zum anderen erkennt man an passgenauen Spaltmaßen, hochwertigem Kunststoff und einer edlen "Midnight Sky"-Lackierung, dass es sehr designverliebte Ingenieure bei Sony gibt. Alles in allem ist der Hybrid-Beamer sicherlich ein ungestümer Koloss, aber definitiv auch ein Eyecatcher. Unauffällig sieht jedenfalls anders aus.

"Film ab!" (fast) ohne Hürden
So erdrückend der Full-HD Beamer optisch auf den ersten Blick auch sein mag, so handzahm gibt er sich bei der Einrichtung. Die Positionierung des Geräts ist dank einem Zoomfaktor von 1,6 und der über Jahre hinweg verfeinerten Lensshift-Technologie, die das Verschieben des projizierten Bilds horizontal um 65% bzw. vertikal um 25% ermöglicht, vorbildlich flexibel. Es kommt sogar noch besser: Zoom, Fokus und Lensshift sind vollmotorisiert und lassen sich bequem von der Fernbedienung aus steuern. Wow. Zu dunkel? Kein Problem, die Fernbedienung ist in dieser Preisklasse (fast schon selbstredend) beleuchtet.

Hat man die Fernbedienung mal nicht bei der Hand, kann man seitlich am Gerät auf den vollen Umfang des Menüs zugreifen. Jammern auf hohem Niveau: Trotz guter Funktionalität könnte Sony auch für Beamer endlich mal das intuitive Cross-Bar-Menü adaptieren. An der Seite sind übrigens praktischerweise auch alle Anschlüsse des Projektors untergebracht. Ein bei Deckenmontage "blindes" Herumfischen an der Rückseite entfällt. Zwei HDMI-Eingänge, einmal Composite, einmal YUV und RGB HV und sogar ein Netzwerkanschluss lassen eigentlich keine Wünsche offen.

Im Lieferumfang enthalten sind weiters zwei 3D-Brillen des Typs TDG-BR100. Das sind prinzipiell die gleichen Brillen wie sie auch bei den 3D-Fernsehern von Sony zum Einsatz kommen, allerdings benötigen sie beim VPL-VW90ES zusätzliche Polfilter, die in die Gläserfassung geklemmt werden müssen. Das entpuppt sich als mühsame und nicht ganz nachvollziehbare Umsetzung, die insbesondere dann negativ auffällt, wenn mehr als die im Lieferumfang enthaltenen Brillen verwendet werden sollen.

Dimensionssprünge in der Praxis
Der VPL-VW90ES projiziert sowohl 2D- als auch 3D-Bilder in Full HD mit 1080p und ist mit einem überarbeiteten SXRD 240Hz-Panel ausgestattet, das Bildverzerrungen oder Überlagerungen minimieren soll. Trotz des sehr hohen dynamischen Kontrasts von 150.000:1 und einer maximalen Helligkeit von 1.000 Lumen muss für den 3D-Betrieb hervorgehoben werden, dass die Helligkeit aufgrund der doppelt abgedunkelten Brillen noch stärker abfällt als bei 3D-Fernsehern. Prinzipiell könnte man diesen Umstand via Einstellungen so abschwächen, dass man Bewegungschärfe für mehr Helligkeit opfert. Das Auge gewöhnt sich aber schneller an dünklere Bilder als an störendes Ghosting. Optimal ist natürlich beides nicht.

Absolut kompromisslos zeigt sich der VPL-VW90ES nach wenigen Feinjustierungen dafür im 2D-Betrieb: Sowohl hinsichtlich Farbraumgestaltung als auch bei Kontrast, Schwarzwert und Bildschärfe kommt man tatsächlich 1:1 in den Genuss von Kinoqualität. Selbst bei hellerem Umgebungslicht. Weder Hollywood noch Spiele-Industrie können diesen Beamer dabei in Verlegenheit bringen oder gar überfordern. Unterm Strich übertrifft der Beamer also hinsichtlich Zweidimensionalität selbst Erwartungen an die Oberklasse. Das eigentliche Key-Feature, die 3D-Funktionalität, weiß natürlich den einen oder anderen Aha-Effekt zu entlocken, ist aber - gerade was die Brillen-Eigenschaften betrifft - durchaus verbesserungsfähig.

Zehn Jahre lang ohne Kino? Kein Problem!
Die vermutlich heikelste Zahl des VPL-VW90ES ist mit dem Preiszettel in Verbindung zu bringen. Die unverbindliche Preisempfehlung von Sony liegt bei sage und schreibe 6.500 Euro. Darin NICHT enthalten sind zusätzliche 3D-Brillen, Leinwand, Soundsystem und nicht zuletzt Abspiel-Geräte bzw. Konsolen. Für das vollständige Vergnügen, das qualitativ dem Kernstück angepasst sein sollte, segelt man daher zügig Richtung 10.000-Euro-Marke. Bei dieser Summe dürften viele Interessenten passen.

Angesichts der horrenden Kinopreise lässt sich diese Zahl für Cineasten aber auch recht einfach relativieren: Angenommen man geht zu zweit wöchentlich ins Kino und nimmt einen Ticket-Preis von 10 Euro pro Person an, kommt man nach nicht einmal zehn Jahren auf die gleiche Summe. Hinweis am Rande: Filmzerstörende Spoiler vom Nachbarn, nervenaufreibendes Popcorn-Rascheln sowie den 2,20m-Hünen, der am liebsten den Sitz vor einem selbst wählt, erspart man sich nur zuhause.

NEWS.at-Eindruck
Der VPL-VW90 lässt sich eigentlich nicht in Worte fassen. Zumindest nicht, was die atemberaubende Bildpräsenz des Hybrid-Beamers anbelangt. Vorausgesetzt es stehen Quellen in Full HD zur Verfügung, vermag das Gerät 2D-Erlebnisse auf die Leinwand zu zaubern, die einem Kinobesuch definitiv um nichts nachstehen. Im 3D-Modus stellen die zusätzlichen Polfilter der Brille leider einen Wermutstropfen dar: Die im wahrsten Sinne des Wortes hervorragende Plastizität weiß zwar zu beeindrucken, allerdings geht damit auch die Hälfte der Helligkeit beim ohnehin verdunkelten Bild verloren.

Die größte Hürde zu diesem Cineasten-Traum dürfte unterm Strich letztendlich der Anschaffungspreis des VPL-VW90 sein. In Kombination mit dem notwendigen Zusatzequipment für das Heimkino kann man sich um das gleiche Geld schon einen neu(wertig)en Kleinwagen kaufen.

(Benjamin Brandtner)