Sie werden uns beobachten: E-MEDIA geht der Vorratsdatenspeicherung auf den Grund

Am 20. November war es so weit: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie legte den Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) vor, mit dem die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt werden soll – und reagierte damit auf eine Vertragsverletzungsklage der EU wegen Nichtumsetzung der bereits im Jahr 2006 beschlossenen Richtlinie.

Die Vorratsdatenspeicherung (auch Data Retention) ist freilich nicht erst seit dem 20. November ein umstrittenes Thema: Bereits seit 2002 wird über die Verpflichtung diskutiert, nach der Internet- und Telekom-Serviceprovider Verbindungsdaten zu sämtlichen Kommunikationsvorgängen ihrer Kunden abspeichern sollen. Wer mit wem wann und wie lange kommuniziert, soll dabei unabhängig von einem konkreten Verdacht auf rechtswidriges Handeln aufgezeichnet werden. Behörden wiederum sollen die Daten dann bei Verdacht und auf richterlichen Befehl anfordern können. Dazu die zuständige SPÖ-Infrastrukturministerin Doris Bures zu E-MEDIA: „Die meisten dieser Daten bleiben bei den Betreibern auch jetzt schon eine gewisse Zeit gespeichert. Neu ist also nur die Pflicht, die Daten erst nach sechs Monaten zu löschen und in genau definierten Einzelfällen zu verwenden.“ Doch was hier so lapidar klingt, ist das Um und Auf an der Debatte: Schließlich durften Daten laut TKG bisher nur so lange gespeichert werden, wie das für eine Rechnungslegung nötig ist; danach mussten die Provider sie löschen.

Sechsmonatiger Vorrat
Ab 2010 (ein Beschluss wird für die erste Jahreshälfte angestrebt) soll die 6-monatige Speicherung nun Pflicht sein. Bures: „Die Richtlinie war die Reaktion Europas auf Terroranschläge. Sie soll dabei helfen, schwere Straftaten leichter aufzuklären.“ Was genau ist aber nun eine „schwere Straftat“? Bures: „Aus Sicht des Verkehrsministeriums muss es sich um eine Straftat handeln, die mit mindestens einem Jahr Haftstrafe bedroht ist. Allerdings kann man das im TKG nicht festschreiben. Das muss in der Strafprozessordnung geregelt werden. Das Justizministerium hat sich hierzu allerdings noch nicht endgültig geäußert.“ Und auch in anderen Punkten herrscht Uneinigkeit zwischen den Regierungspartnern: Während die SPÖ sich für die Mindestumsetzung der Richtlinie – also die sechsmonatige Speicherung – einsetzte, plädierte das ÖVP-Innenministerium unter Maria Fekter zu Beginn für noch längere Fristen.

Heftige Kritik
Derartige Diskrepanzen sind das eine, die Empörung der Datenschützer das andere, denn: Obwohl der Gesetzesentwurf von einer Expertengruppe des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte ausgearbeitet wurde und Bundesministerin Bures stets betonte, er werde „den größtmöglichen Schutz persönlicher Daten sicherstellen“, steigen die natürlich auf die Barrikaden. Hans G. Zeger von der Österreichischen Gesellschaft für Datenschutz ARGE Daten: „Alle Bürger geraten durch die Vorratsdatenspeicherung in Generalverdacht. Es wird in Zukunft genügen, verdächtige Telefonnummern anzurufen, um ins Visier von polizeilichen Ermittlungen zu kommen.“ Zudem zweifelt er am Sinn der geplanten Speicherung, nach dem Motto: Wer etwas zu verbergen hat, kann seine Spuren leicht verwischen. Dem pflichten auch Gabriela Moser und Albert Steinhauser von den Grünen bei: „Die wirklich großen Fische wissen sehr genau, wie sie der Überwachung entgehen können.“ Und ergänzen: „Eine grundrechtswidrige Richtlinie kann man nicht in ein grundrechtskonformes Gesetz umwandeln.“ Dass das geplante Gesetz gegen Grundrechte verstößt, darin sind sich Datenschützer einig. Die Grünen haben sich jedenfalls darauf festgelegt, diesem „Persönlichkeitsröntgen einzelner Bürger“ nicht zuzustimmen. Was für Bures und Co zum Problem wird. Denn um die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umsetzen zu können, benötigt die Regierung die Stimmen der Opposition. Es bleibt also vorerst abzuwarten, wie die Begutachtungsfrist am 15. Jänner 2010 enden wird.

Widerstand
Für beunruhigte Bürger, die nicht nur zusehen möchten, ist die Initiative Freiheit statt Angst (freiheit-statt-angst.org) in der Zwischenzeit Anlaufstelle. Aktiv werden kann man zudem durch das direkte Anschreiben der zuständigen Politiker (www.freenet.at).

Die genauen Statements einzelner Experten und weitere Details können Sie in der Printausgabe 24/09 von E-MEDIA nachlesen!