Nach dem Hype kann die Realität beginnen:
O'Reilly sieht das Ende der Web-2.0-Hysterie

Laut dem renommierten US-Verleger und Softwareentwickler Tim O'Reilly hat der neue Hype um das Internet sein Ende erreicht. "Wir gehen bereits wieder in der Phase der Konsolidierung", sagte O'Reilly, der mit der Erfindung des Begriffs "Web 2.0" 2003 den neuen Aufschwung mitinitiiert hatte, bei der von seinem Verlag organisierten Internetkonferenz in Berlin. Zu dieser Web 2.0 Expo kamen diese Woche rund 2.500 Teilnehmer. Bei der ersten Web 2.0 Expo im April in San Francisco waren es noch 11.000 gewesen.

Anders als vor dem Platzen der Internet-Blase im Jahr 2000 geht O'Reilly davon aus, dass nur die wenigsten "Web 2.0"-Unternehmen den Sprung an die Börse schaffen werden. Die Beträge, die heute investiert würden, seien deutlich niedriger. "Die Investoren werfen ihr Geld nicht mehr beim Fenster hinaus", so O'Reilly am Rande der Konferenz.

Fusionen zu erwarten
Die meisten Web 2.0-Unternehmen, die in den vergangenen Jahren entstanden sind, werden seiner Einschätzung nach von anderen übernommen werden. O'Reilly geht davon aus, dass längerfristig maximal ein halbes Dutzend Firmen Web 2.0 bestimmen werden. Der neue Trend - auch Mitmachinternet genannt, weil die neuen Internetseiten auf Beiträgen der Internet-Nutzer aufbauen - sei kein "Summer of Love", sondern "ein Schlachtfeld, in dem sich die Wettbewerber mit Zähnen und Klauen bekämpfen".

"Wenn der Hype aufhört, beginnt die Realität"
Der Internet-Guru selbst sieht die Entwicklung dennoch gelassen. "Wenn der Hype aufhört, beginnt die Realität", postulierte er. Durch die Konsolidierung beginne Web 2.0 nun auch wirtschaftlich interessant zu werden. Dass man bei der Verknüpfung von Web 2.0-Comunity-Lösungen und semantischer Text-Analyse bereits von Web 3.0 sprechen könne, glaubt O'Reilly nicht: "Intelligent ist das Internet auch schon in der zweiten Phase. Die nächste Internet-Generation muss etwas komplett anderes sein." Und er weiß auch schon was: zum einen sensorgesteuerte Techniken, zum anderen die Verschränkung von Internet und Realität.

"Flashmobs" richtungsweisend?
Als Beispiel nannte er etwa Flashmobs, bei denen sich Leute via Internet an einem Ort verabreden, um dort verrückte Dinge zu tun. Deutlich realitätsnäher dagegen die umgekehrte Verknüpfung - Realität kommt ins Internet: etwa über Fotos, mit dem Handy generiert und in das Internet transferiert. Künftig würden Internetfunktionen noch stärker in den Alltag integriert, etwa auch durch Autoversicherungen, bei denen ein Bordcomputer je nach Fahrleistung den Tarif bemisst oder in Robotern. Selbst bei der Erschließung alternativer Energiequellen spiele Software eine Hauptrolle. "Das wird einen enormen ökonomischen Einfluss haben", prophezeit O'Reilly.

Expo inklusive österreichischen Beiträgen
Einige Internet-Newcomer tauchten zuletzt auch noch in Österreich auf. In aller Munde, wenn auch selbst nicht vertreten, war auf der Berliner Web 2.0 Expo vor allem die von Österreichern entwickelte Musikplattform Last.fm, eine Entwicklung, die O'Reilly schon in seiner Eröffnungsrede als Vorzeigebeispiel hervorhob. Auch die neue Geschichte-Website Miomi, für die drei heimische Studenten eine Millionen-Förderung der University of Oxford erhalten haben, sorgte trotz Abwesenheit bei der Expo für Gesprächsstoff. Dabei war dagegen xakasha.com, entwickelt in Oberösterreich, auf der der User demnächst seinen Lebensweg mit Fotos, Videos und Texten darstellen und mit anderen verknüpfen kann, sowie eine Initiative aus Wien: maptales.com, bei der man Storys und Ereignisse eintragen und auf einer Weltkarte einem fixen geographischen Punkt zuordnen kann.

Einziger offizieller Redner aus Österreich auf der Web 2.0 Expo in Berlin war Dieter Rappold, Gründer der ersten deutschsprachigen Blogger-Plattform Twoday. Seine Firma Knallgrau hat erst vor wenigen Tagen das neue interaktive Internetportal der deutschen WAZ-Gruppe http://derwesten.de online gebracht. (apa/red)