"Microhoo" sagt jetzt Google den Kampf an:
NEWS über die neue Schlacht im Internet

"Microhoo" sagt jetzt Google den Kampf an:
NEWS über die neue Schlacht im Internet

Ein Stichwort, ein Klick, Tausende Antworten. Der Suche-Button ist die meistgenutzte Funktion im Internet. Ob Wetterbericht, Nachrichten oder Flugpläne – bisher war klar, dass alles Wissenswerte einfach „gegoogelt“ wird. Das könnte sich aber bald ändern. Letzte Woche bildete sich nämlich eine Allianz, die dem allgewaltigen Marktführer bald kräftig einheizen wird. Der Softwaregigant Microsoft und der Web-Pionier Yahoo wollen künftig gemeinsame Sache machen und mit der neuen Suchmaschine Bing das Google-Monopol sprengen.

Der Liaison ging allerdings ein langes Tauziehen voraus. Noch im Vorjahr wollte Microsoft Yahoo um 47 Milliarden Dollar kaufen. Doch der Deal platzte. Yahoo-Gründer Jerry Yang kämpfte wie besessen gegen die Übernahme, obwohl sein Konzern von einst 130 Milliarden Dollar auf einen Marktwert von nur noch 15 Milliarden Dollar abgerutscht war. Yangs einsame Schlacht konnte die Kooperation mit Microsoft letztlich nicht verhindern – und kostete ihn den Chefsessel. Auf dem sitzt nun Carol Bartz, die die Online-Partnerschaft mit Microsoft-Boss Steve Ballmer unterzeichnete.

Der Deal: Yahoo verzichtet ab sofort auf einen eigenen Suchdienst und verwendet die neue Microsoft-Suchmaschine Bing. Microsoft lässt dafür künftig seine Onlinewerbung von Yahoo vermarkten. Beide Partner versprechen sich große Vorteile: Microsoft bedient sich am Suchmaschinen-Know-how von Yahoo. Yahoo muss im Gegenzug nicht mehr in die Weiterentwicklung investieren und hofft, damit 175 Millionen Dollar einzusparen. Außerdem glaubt Bartz an bis zu 500 Millionen Dollar Mehreinnahmen, wenn Bing vollständig integriert ist. Die Zusammenarbeit ist zunächst auf zehn Jahre festgelegt – im Online-Business eine kleine Ewigkeit. Insider sehen in der Partnerschaft von Microsoft und Yahoo aber vor allem eins: eine Frontalattacke auf das Googleversum. Mit 67 Prozent Marktanteil weltweit ist Google nämlich die klare Nummer 1 bei Suchmaschinen. Zum Vergleich: Yahoo kommt derzeit auf acht Prozent, Microsoft hält überhaupt nur drei Prozent.

Die Datenkaiser
Doch es geht nicht nur um Reichweite, sondern vor allem um Daten. Yahoo gilt als das Web-Unternehmen, das die detailliertesten Analysen über das Verhalten seiner User erstellen kann. Mit Maildiensten, Messenger-Applikationen, dem Fotoportal Flickr und unzähligen Websites sammelt Yahoo ständig eine Unmenge an Informationen über die Nutzer. Mit Microsoft, das sich vor zwei Jahren in das Social Network Facebook einkaufte, wird die Bandbreite an Daten noch größer. Enorm wichtig wird dabei auch der Erfolg der gemeinsamen Suchmaschine Bing sein. „Je mehr Suchanfragen man abwickelt“, weiß Microsoft-Chef Steve Ballmer, „desto mehr lernt man darüber, was Konsumenten anklicken.“ Und dieses Wissen schafft Macht.

Bingen statt Googeln?
Diese Macht liegt derzeit bei Google, über dessen Website weltweit täglich etwa zwei Billionen Suchanfragen gestartet werden. Um Google die Pole-Position streitig zu machen, setzt Bing auf eine neue Suchtechnik. Denn: „Bing soll keine Suchmaschine, sondern eine Entscheidungsmaschine sein“, betont Microsoft-Österreich-Sprecher Thomas Lutz. Und das funktioniert so: Bing versucht, die Kombination von
Suchbegriffen zu verstehen und die Treffer damit effizienter zu machen. Denn laut einer aktuellen Comscore-Studie wird zwar eifrig gegoogelt, allerdings werden ein Drittel aller Suchanfragen unbefriedigt abgebrochen, und zwei Drittel müssen in einem weiteren Schritt verfeinert werden.

Das will Bing seinen Usern ersparen: Wenn man etwa nach „Wetter“ und „Wien“ sucht, erscheinen als Antwort nur Seiten, wo die beiden Wörter verknüpft vorkommen, also eine konkrete Wettervorhersage. Wenn man nach Produkten sucht, soll Bing künftig ein Diagramm mit Preisvergleichen ausspucken. Kurz: Statt einer endlos langen Link-Sammlung liefert Bing konkrete Antworten auf Fragen. Und durch eine klar gegliederte Benutzeroberfläche kann man gezielt nach Bildern, Shopping-, Reisetipps oder sogar Twitter-Nachrichten suchen. Einziges Manko für europäische Bing-User: In der aktuellen Beta-Version sind diese Features noch nicht umgesetzt. Ob Bing oder Google – alle Suchmaschinen müssen in Zukunft mit der ständig wachsenden Menge an Daten im Web zurechtkommen. Aktuell sind 500 Exabyte (in Ziffern: 500.000.000.000.000.000.000 Byte) an Informationen im Web unterwegs. Doppelseitig ausgedruckt auf A4-Papier, entspricht das einem Stoß, der 5.000 Millionen Kilometer hoch ist. Das ist der Abstand von Pluto zur Sonne. Täglich kommen 15 Petabyte(15.000.000.000.000.000 Byte) an neuen Daten dazu.

Daten überfluten das Web
„In den letzten zehn Jahren gab es eine Verzehnfachung aller Daten – damit müssen die Suchmaschinen von heute zurechtkommen“, sagt IBM-Innovationsleiter Ton Engbersen. Im Klartext: Suchmaschinen müssen jeden Tag etwa 200 Exabyte an Informationen verarbeiten. „Bisher erstellen Suchmaschinen aber lediglich einen Index und liefern keine intelligenten Antworten“, so Engbersen. Neue IBM-Technologien gehen da weiter. Sie können Daten interpretieren, nach negativen oder positiven Erwähnungen sortieren oder durch Visualisierungen übersichtlich darstellen. In der Schlacht um Marktanteile, Werbeeinnahmen und wertvolle Daten müssen Google und Bing wohl in Zukunft mit ähnlichen Neuerungen nachziehen.

Veronika Dolna