Internet-Trend in China: "Counterstrike" und Plaudern im Chatroom

China hat die zweitgrößte Internet-Gemeinde nach den USA. Täglich klicken sich über 70 Millionen Menschen durchs Netz. Der Großteil der User ist männlich, ledig, jung und wohnt in einer Stadt. Online-Spiele wie "Counterstrike" boomen geradezu.

Das Internet ist in China rasch gewachsen: Waren es vor zehn Jahren noch weniger als 10.000 Benutzer, so surften laut des staatlichen China Internet Network Information Centers (CNNIC) im Vorjahr bereits 54 Millionen. Die Begeisterung ist sogar durchaus im Sinne der Regierung, die den Aufbau der Informationsindustrie als für die Wirtschaft wichtig begrüßt.

An Schulen werden Einsteiger-Kurse angeboten, es gibt eine wahre Flut an Internet-Cafes (derzeit ca. 110.000 im gesamten Land), die Onlinegebühren in der Höhe von drei bis fünf Yuan pro Stunde (30 bis 50 Cent) sind für die meisten erschwinglich.

Für Karsten Giese, Referent am Hamburger Institut für Asienkunde, stellt das Internet vor allem ein "städtisches Wohlstandsphänomen" dar. Knapp 84 Prozent der Nutzer sind unter 35 Jahre alt, etwas mehr als 55 Prozent sind Universitäts-Absolventen. Andere Experten sehen im World Wide Web das Medium des neuen Mittelstands. Dem CNNIC zufolge sind die Lieblingsthemen der Surfer vor allem Information und Unterhaltung. Während E-Mail, Suchmaschinen, das Herunterladen von Software und der Besuch von Chatrooms zu den beliebten Diensten zählen und Games in den Internet-Cafes boomen, spielt E-Commerce kaum eine Rolle.

Verschiedene Web-Portale bieten Chaträume an. So ist auch das Parteilblatt Volkszeitung mit "Qiangguo Luntan" (Forum Starkes China) vertreten. Diskutiert wird überraschend offen über Aids bis zum Abriss historischer Hofhäuser in Peking. Als weitere Themen bieten sich Musik, Sport, Liebe und Mode an. Die Regierung nutzt das Internet vor allem als Stimmungsbarometer und ermuntert bei natioalen Fragen durchaus auch zum Dampfablassen: Taiwan darf laut den Meinungen in einem Chat keinesfalls unabhängig werden.

Die Regierung verpflichtet jeden User, sich mit Namen und Ausweisnummer eintragen zu lassen. Die Betreiber müssen die besuchten Websites der Surfer einige Monate lang aufbewahren. Eine spezielle Software filtert unerwünschte Web-Angebote - so zum Beispiel jene des BBC. Politisch heikle Aussagen verschwinden rasch wieder von der Bildfläche.

Chinas Internet-Polizei ist dazu angehalten, mit 30.000 Aufpassern das Netz von unliebsamen Äußerungen freizuhalten. Technisch versierte User liefern sich mit den Kontrolleuren ein Katz-und-Maus-Spiel. So umgehen Übersee-Chinesen Firewalls, indem sie Artikel von Radio Free Asia oder von taiwanesischen Zeitungen in Foren der VR China stellen oder per Mail weiterleiten. Dazu ein Experte: "Bis zu einem gewissen Maß toleriert die Partei kontroverse Meinungen. Aber eine organisierte Opposition, die ihr Machtmonopol in Frage stellt, wird die KP niemals zulassen."

Giese hält das Internet als Motor für politische Äußerungen für überschätzt. Es wäre zu stark fragmentiert. "Allerdings finden Diskussionen und Meinungsbildungen im sozialen Bereich statt, die langfristig als subversiv und potentiell revolutionär angesehen werden können und damit zu politischen Äußerungen betragen können."
Das Internet wirkt auch auf die Medienlandschaft Chinas. So nutzen Journalisten Foren, um über Korruptionsfälle zu berichten, die sie in ihrer örtlichen Zeitung nicht bringen dürfen. Diese Informationen nützen dann häufig andere Blätter und veröffentlichen sie.
(APA/red)