"Datenjäger": Seit 9/11 weltweit auf dem Vormarsch

Was für die Wirtschaft durchaus nützlich sein kann, um durch individuellere Abstimmung von Marketing und Werbung die Kundenzufriedenheit zu erhöhen oder neue Käufer zu gewinnen, lässt Datenschützer vom "privatisierten Orwell-Staat" reden: Data Mining - das "Schürfen" nach relevanten Zusammenhängen zwischen bereits existierenden Kundendaten. "Mit den Anschlägen vom 11. September 2001 hat eine Zäsur im Umgang mit Daten stattgefunden", erklärte Edmund Lindau, Chefredakteur der "Computerwelt", bei einer durchaus kontroversiellen Podiumsdiskussion der APA-E-Business-Community im Wiener Haus der Musik.

Inzwischen sei es beispielsweise in den USA üblich, die Bibliotheksdatenbanken zu durchforsten, "um in die Köpfe hineinzublicken". Das Antiterrorgesetz (Patriot Act) habe dazu geführt, dass es keinen "sicheren Hafen" für Daten mehr gebe. "In Österreich sind zwar Teile des Militärbefugnisgesetzes gekippt worden, es bestehe jedoch per Gesetz ein 'Generalverdacht' gegenüber den Bürgern", so Lindau. Minderheiten würden dies allenfalls als erste zu spüren bekommen. Daher müssten die Daten nach genau festgelegten Kriterien verarbeitet werden, um "dieser Entwicklung ihre dramatischen Nebenwirkungen zu nehmen".

Eine größere Dynamik in diesem Bereich ortet auch Wolfgang Sützl, Chief Researcher des Instituts für Neue Kulturtechnologien (Public Netbase). Die Maßnahmen seien seit dem 11. September akzeptierter, die Technik leistungsfähiger, und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden tue ein Übriges. "Auf der einen Seite überwacht der Staat immer mehr und wird dadurch intransparenter, auf der anderen herrscht in der Wirtschaft ein unglaublicher Datenhunger", assistierte Sützl. Zurück bleibe "die Karikatur eines Bürgers als 'citizen as customer'", wobei es keine Freiheit mehr gebe, als die Freiheit zu konsumieren. "Es wird massiv an der Aushöhlung der Privatsphäre gearbeitet", so Sützl.

Wenig abgewinnen kann dem Anton Jenzer, Geschäftsführer der Schober Information Group Österreich: "Der gläserne Konsument ist wünschenswert - für Anbieter und Konsumenten." Konsumenten würden von bedarfsgerechten Angeboten profitieren, indem sie Informationen und Angebote über Produkte und Dienstleistungen erhielten, die für sie auch wirklich von Interesse seien.

Daten und Informationen über Kunden und potenzielle Käufer seien wiederum für Anbieter die Voraussetzung für "One to One"-Marketing und wirksames CRM (Customer Relationship Management). Außerdem habe die Branche ganz klare Spielregeln aufgestellt. "Daten sinnvoll eingesetzt sind nichts Schlimmes, man muss auch die Interessen der Wirtschaft berücksichtigen", so Jenzer. Transparenz, welche Daten wie verwendet werden, spiele dabei die zentrale Rolle.

"Auch wir versuchen den Konsumenten gezielt zu erreichen, allerdings über die Kombination von raumbezogenen mit soziodemographischen Daten", erklärte Georg Magenschab, Geschäftsführer des Geo-Marketing-Unternehmens WIGeoGIS. Damit bekämen die Daten einen Ortsbezug und seien leicht zu analysieren. "Mit Kanonen auf Spatzen zu schießen" führe zu Streuverlusten und bringe die Konsumenten in Bedrängnis.

"Es gibt weder bei Bürgern noch bei Unternehmern ein ausgeprägtes Bewusstsein bezüglich Datenschutz", sieht Ralph Schimpl, Mitglied der Geschäftsleitung von Microsoft Österreich, noch Defizite. "Wir werden von Firmen schon mal um Kundendaten gefragt. Die wissen gar nicht, dass das verboten ist." Man müsse die Bedenken der Menschen ernst nehmen, nur so könnte den Befürchtungen begegnet werden. Ein grundlegendes Konsumentenbewusstsein hinsichtlich Datenschutz sei jedoch unabdingbar.

"Daten sind ein wichtiges Instrument, wie man am Grundbuch sieht", gab sich Oliver Gielesberger, Customer Solution Manager bei Kapsch CarrierCom, überzeugt. Telekom-Unternehmen könnten beispielsweise aus Rohdaten wertvolle Informationen zum Netzwerk-Monitoring und Troubleshooting gewinnen und dadurch die Performance des Netzes steigern sowie die Kundenzufriedenheit erhöhen.

Doch auch in weniger spektakulären Bereichen wird Gefahr geortet: "Es beginnt schon im Kleinen. Suchmaschinen liefern viele personenbezogene Daten - etwa Informationen über Hobbys, die Mitgliedschaft in Vereinen oder die genossene Ausbildung", erklärte Florian Petter, Geschäftsführer von Dynatools. "Gläserne Konsumenten waren wir aber auch schon vor 30 Jahren beim 'Greißler ums Eck', der wusste, wer wir sind, wo wir wohnen und was wir gerne kaufen", so Petter. (apa)