Vier Optionen offen: Entscheidung über Siemens-Handy-Sparte kann sich hinziehen

Siemens hat Erwartungen einer schnellen Entscheidung über das Schicksal seiner schwächelnden Handy-Sparte gedämpft. "Es wäre übertrieben, schon auf der Hauptversammlung ein endgültiges Ergebnis zu erwarten", sagte der scheidende Konzernchef Heinrich von Pierer der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (Freitagausgabe). Pierer verteidigte zugleich die Erhöhung des Angebots für die Übernahme des börsenotierten österreichischen Konkurrenten VA Tech.

Pierers Worten zufolge gibt es für den Handybereich nach wie vor vier Optionen: "sanieren, verkaufen, schließen oder kooperieren" mit einem Konkurrenten. Die Handy-Sparte, die nur knapp sieben Prozent zum gesamten Konzernumsatz beisteuert, ist seit Jahren eines der Sorgenkinder des Münchner Unternehmens. Im vergangenen Geschäftsjahr (bis Ende September 2004) machte der Bereich bei einem Umsatz von knapp unter fünf Mrd. Euro einen Verlust von 152 Mio. Euro.

Weltweit auf Platz 4
In einer Studie der Unternehmensberatung Accenture für die "Wirtschaftswoche" werden eine zu langsame Reaktion auf neue Trends und eine im weltweiten Wettbewerb zu schwache Marke kritisiert. Nach Angaben des Branchenbeobachters Gartner lag Siemens mit einem Marktanteil von 7,6 Prozent zuletzt weltweit nur auf Platz vier der größten Handy-Anbieter. Der Konzern selbst hält einen Marktanteil von 15 Prozent für notwendig, um mit dem Bereich Geld zu machen.

Schließung würde Wert vernichten
Auf die Frage, ob eine Schließung der Handy-Sparte wirklich eine Alternative sei, sagte Pierer der "FAZ": "Mit einer Schließung würde viel Wert vernichtet - allein die Marke Siemens ist unerhört wertvoll. Außerdem müssen wir an unsere Mitarbeiter denken. Wir haben exzellente Entwicklungsingenieure und gute Fabriken."

Gewerkschaften im Widerstand
Die Pläne einer möglichen Schließung des Handy-Bereichs stoßen auf starken Widerstand der Gewerkschaften. Um ihre Jobs in der Sparte zu sichern, hatten die Beschäftigten in den nordrhein-westfälischen Werken Kamp-Lintfort und Bocholt erst im vergangenen Juni eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich akzeptiert. Siemens verzichtete im Gegenzug auf die Verlagerung von 2000 Stellen nach Ungarn und gab den Beschäftigten beider Werke eine zweijährige Bestandsgarantie.

Aufgestocktes Angebot
Zu dem am Donnerstag um zehn auf 65 Euro je Aktie aufgestockten Angebot für VA Tech sagte Pierer, es liege auch im Interesse der Siemens-Aktionäre, "dass wir durch eine beschleunigte Übernahme die Integration und die damit verbundenen Synergieeffekte schneller realisieren können". Der Gesamtpreis von fast einer Mrd. Euro sei für das Unternehmen nicht zu hoch. Siemens stärke mit dem Kauf sein Geschäft in Mittel- und Osteuropa. Die Renditelage bei VA Tech sei aber "inakzeptabel", sagte der Siemens-Chef. "Wir werden schnell Programme verwirklichen, um mit Innovationen und Wachstum die Profitabilität zu verbessern."

Neuer Leiter
Pierer, der Siemens seit 1992 leitet, übergibt die Leitung des drittgrößten deutschen Industriekonzerns an seinen Nachfolger Klaus Kleinfeld. Der 47-Jährige hatte erfolgreich das USA-Geschäft saniert und baute eine hauseigene Unternehmensberatung auf. Seit Anfang vergangenen Jahres ist er für die Handy- und Kommunikationssparte zuständig. (apa/red)