Siemens gibt Handys auf: BenQ übernimmt
die verlustbringende Geschäftssparte

Siemens trennt sich komplett von seiner verlustreichen Handysparte mit weltweit 6.000 Mitarbeitern. Mit dem Ziel eines Ausbaus seines Europa-Geschäfts vor Augen sowie zusätzlich überzeugt von einer Siemens-Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe übernimmt der taiwanische Konzern BenQ das Mobiltelefongeschäft des Münchner Konzerns. BenQ will damit zu einem der größten Handyanbieter der Welt aufsteigen.

Zumindest vorerst sind damit die 3.000 deutschen Arbeitsplätze zu den bisherigen Konditionen gesichert. In Österreich sind 35 Jobs vom Verkauf der Sparte betroffen, die von BenQ übernommen werden sollen. Neuer Unternehmenssitz wird München. Das Geschäft soll bis Ende September 2005 abgewickelt werden. "Mit dieser Partnerschaft haben wir eine nachhaltige Perspektive für unser Mobiltelefongeschäft gefunden", sagte Siemens- Chef Klaus Kleinfeld.

Ausstieg kostet viel Geld
Der zu den Pionieren der Mobilfunktechnologie gehörende Siemens-Konzern lässt sich den Ausstieg viel Geld kosten. Das Jahresergebnis werde durch die Transaktion in Höhe von rund 350 Mio. Euro vor Steuern belastet, sagte Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Diese Summe enthält demnach unter anderem die notwendige Harmonisierungen der Produktplattformen mit Kosten von 250 Mio. Euro. Außerdem kauft Siemens für 50 Mio. Euro BenQ-Aktien und ist damit künftig zu 2,5 Prozent an dem bisher vor allem in Asien aktiven Konzern beteiligt. Dem Geschäft müssen die Kartellbehörden sowie die BenQ Hauptversammlung noch zustimmen.

BenQ will zu größten am Markt
BenQ kann durch den Kauf für zunächst eineinhalb Jahre exklusiv die Siemens-Markenrechte für Mobiltelefone nutzen. Für weitere fünf Jahre darf Siemens als Co-Marke mit auf den Handys auftauchen. BenQ-Chef K.Y. Lee erklärte, sein Unternehmen sei durch die Übernahme dem Ziel, zu den größten Mobilfunkanbietern am Markt aufzuschließen, "ein erhebliches Stück näher gekommen". "Mit der Transaktion bekommen wir exzellente Mitarbeiter, etablierte Verkaufskanäle, eine hochkarätige Kundenbasis", erklärte Lee.

Arbeitsplätze nach 2006 nicht gesichert
Zur weiteren Zukunft der Beschäftigten äußerte sich Lee zurückhaltend. "Das ist schwierig vorherzusagen, was passiert nach 2006", sagte der BenQ-Vorstandschef. Lee versicherte allerdings, dass für sein Unternehmen "Priorität Nummer eins" sei, das Handy-Geschäft von Siemens fortzuführen. 2.000 Beschäftigte arbeiten im nordrhein-westfälischen Kamp-Lintfort. Diese Arbeitsplätze waren erst im vergangenen Jahr durch eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich gesichert worden. "Für uns war die Weiterführung des Standortes Kamp-Lintfort ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung für einen Käufer", sagte Kleinfeld.

Kosten werden gedrückt
Lee kündigte an, die Kosten bei den Zulieferern für die Handyfertigung drücken zu wollen. Dabei wandte er sich auch an den Chip-Hersteller Infineon. "Wir möchten die Zusammenarbeit mit Infineon aufrecht erhalten, wenn sie gute Preise in die Partnerschaft miteinbringen", sagte Lee. In diesem Fall könne sein Unternehmen auch die Zusammenarbeit mit anderen Lieferanten aufgeben. Infineon selbst, eine frühere Siemens-Sparte, begrüßte als wichtiger Zulieferer den Verkauf der Siemens-Handysparte an BenQ.

IG-Metall bleibt kritisch
Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat waren gegen den Verkauf. "Ich sehe das sehr kritisch", sagte IG-Metall-Vize und Siemens-Aufsichtsrat Berthold Huber. Huber sieht aber in dem Geschäft auch Chancen. BenQ sei ein aufstrebender Anbieter, der Bedarf an Produktionskapazitäten habe. "Das spricht für die Standorte in Europa."

"Schlappe für Siemens
Der Siemens-Gesamtbetriebsrat erklärte:."Die Abgabe des Handygeschäfts ist eine Schlappe für den Technologiekonzern Siemens, die die Betriebsratsseite gerne verhindert hätte." Leider habe sich das Management nicht zu einer Sanierung in Eigenregie durchringen können.

1,5 Millionen Verlust täglich!
Siemens hatte im weltweiten Handygeschäft zuletzt massiv Boden verloren und kam im ersten Quartal nur noch auf einen Weltmarktanteil von 5,5 Prozent. Derzeit macht die Siemens-Handysparte rund 1,5 Mio. Euro Verlust am Tag. Als einer der Gründe gilt in der Branche, dass der Konzern wichtige Neuerungen verpasst hat. Das profitable Geschäft mit Schnurlostelefonen mit seinem Werk Bocholt bleibt bei Siemens.

Abspaltung von Acer
BenQ ist eine Abspaltung des Computerherstellers Acer. Die Taiwaner stellen neben Mobiltelefonen auch Flachbildschirme und Laptops her. Das Unternehmen produziert bisher vor allem im Auftrag anderer Unternehmen. (apa)