"Phantomvibrationen" bei Handy-Nutzern:
Psychisches Phänomen der Info-Gesellschaft

"Phantomvibrationen" bei Handy-Nutzern:
Psychisches Phänomen der Info-Gesellschaft

Die Handy-Zivilisation treibt merkwürdige Blüten: Intensive Mobilfunk-Nutzer wundern sich, wenn sie die typische Vibration ihres Handys am Oberschenkel spüren, auch wenn sie das Telefon gar nicht in der Hosentasche dabei haben. Andere spüren das typische Brummen auch dann, wenn das Handy gar nicht klingelt. Analog zum Phantomschmerz nach dem Verlust eines Körperteils sprechen Experten in den USA bereits von "Phantomvibrationen".

Jonathan Zaback spürte dieses Phänomen zum ersten Mal, als er Freunden seinen neuen "BlackBerry Curve" zeigte. "Als sie es anschauten, spürte ich diese Vibration an meiner Seite", berichtete der Manager der PR-Agentur Burson-Marsteller. "Ich griff hin, um es in die Hand zu nehmen, als mir bewusst wurde, dass ich den Blackberry ja gar nicht mehr bei mir hatte." Zaback gehört zu den Hardcore-Nutzern des Smartphones. Er hat seinen BlackBerry neben sich am Bett, schaut nach E-Mails, wenn er nachts aufwacht, und lässt sich morgens von dem Gerät wecken.

Der biologische BlackBerry
Die "Phantomvibrationen" nimmt Zaback nicht weiter Ernst. "Solange das nicht bedeutet, dass mir ein Tumor am Bein wächst, ist das in Ordnung", sagt der Smartphone-Nutzer. "Einige Leute haben eine biologische Uhr. Da habe ich ja vielleicht einen biologischen BlackBerry."

Handy als Teil des Menschen
Solche Berichte deuteten darauf hin, dass "die Leute das Gefühl haben, das Telefon wäre ein Teil von ihnen selbst", erklärt der Psychologe B.J. Fogg vom "Persuasive Technology Lab" der Universität Stanford. Die Menschen der Informationsgesellschaft seien so sehr darauf gedrillt, ja keinen Anruf zu verpassen, dass sie lieber einen falschen Alarm hinnehmen als eine Anfrage zu verpassen. "Unser Gehirn prüft ständig, ob wir jemandem antworten müssen."

Stolz auf den "Schmerz"
In gewissen Kreisen ist man offenbar schon fast ein bisschen stolz auf die Phantomvibrationen. "Natürlich bekomme ich sie", sagt Fred Wilson von der New Yorker Venture-Capital-Firma Union Square Ventures. "Ich kenne das schon seit mehr als zehn Jahren."

Eins mit dem BlackBerry
Der Karikaturist Scott Adams berichtete in seinem Blog dilbert.org, dass er die Phantomvibrationen etwa zehn Mal am Tag spüre und dann immer voller Erwartung auf eine E-Mail mit einer positiven Nachricht sei. Jake Ward von Qorvis Communications hat offenbar eine besonders sensible Form des Phänomens entwickelt: Er spürt es nach eigenen Angaben bereits, wenn eine mobile Nachricht gerade abgeschickt wurde und auf dem Weg zu seinem Smartphone ist. "Ich spüre es, schaue drauf. Keine Vibration. Dann fängt es an zu vibrieren. Ich bin eins mit meinem BlackBerry." (apa/red)