Mobilfunkmarkt: Microsoft hinkt Nokia weiter hinterher

Mit der erfolgreichen Erschließung neuer Märkte hat Microsoft bereits gute Erfahrungen gemacht. Doch im Mobilfunkmarkt scheint sich das Unternehmen erstmals an der vereinten Abwehrhaltung der Platzhirsche die Zähne auszubeißen. Marktführer Nokia prescht dem Neueinsteiger mit neuen Ideen, Kooperationen und Entwicklungen davon. In dieser Woche hat das finnische Unternehmen zur Etablierung seines eigenen Betriebssystems und der Multimedia-Software "Series 60" einen Wettbewerb für Softwareentwickler ausgerufen. "Es gibt einen umfangreichen, rasant wachsenden Markt für hochwertige mobile Anwendungen, die die Konsumenten begeistern", sagte Nokia-Vizepräsident Jouko Hayrynen.

Seit mehreren Jahren versucht Microsoft, im Mobilfunkmarkt Fuß zu fassen und seine Marktmacht bei Betriebssystemen auf Handys und mobile, internet-fähige Geräte auszuweiten - bisher jedoch ohne größeren erkennbaren Erfolg. Im Herbst dieses Jahres hatte der Redmonder Konzern endlich den Durchbruch bei seinen zähen Bemühungen angekündigt. Noch vor Weihnachten sollten die ersten Handys mit Microsoft-Betriebssystem in Europa auf den Markt kommen. Schon als Etappensieg gefeiert, wurde der jüngste Coup jedoch vergangene Woche überraschend vereitelt. Kurz vor Auslieferung der ersten Geräte wechselte der britische Handybauer Sendo das Lager, kündigte die Zusammenarbeit mit Microsoft auf und wechselte zum Marktführer Nokia.

Sendo beendet Zusammenarbeit mit Microsoft
Das Z100 von Sendo sollte das erste Handy mit Microsofts Internet Explorer und Windows Media Player werden. Warum sich der britische Hersteller vom Redmonder Softwareriesen abwandte, blieb vorerst unklar. "Wir haben unsere Vereinbarungen mit Microsoft beendet", verkündete Sendo-Chef Hugh Brogan vergangenen Donnerstag ohne Angabe von Gründen. Stattdessen lizenzierte das Unternehmen die neue Multimedia-Software "Series 60" von Marktführer Nokia, ein auf der Programmiersprache Java basierendes Betriebssystem aus der Entwicklungsschmiede Symbian.

Symbian: Entwicklung von Weltstandards
Damit bleibt bis auf weiteres Symbian der Gewinner im Markt. Das Konsortium war als Joint Venture von Nokia, Ericsson, Motorola und Matsushita sowie dem PDA-Hersteller Psion vor Jahren gegründet worden. Unter Symbian entwickelten die Unternehmen Standards für eine Softwareplattform, die zum Weltstandard für die neue Generation multimedia-fähiger Mobiltelefone werden sollte. Mit dem jüngsten Produkt, der Software "Series 60", ist auch Nokias Flaggschiff, das Multimedia-Handy "7650" ausgestattet.

Marktdominanz von Nokia und Ericsson
Angesichts der Marktdominanz von Nokia und Ericsson war es bisher für Microsoft ein zäher Kampf, überhaupt Verbündete für die Entwicklung neuer Handys und Smartphones zu gewinnen. Die Großen der Branche verteidigten ihr Revier vehement. Potenzielle Microsoft-Partner agierten in der Regel halbherzig und nie ohne Netz und doppelten Boden. Wie vor rund zwei Jahren zum Beispiel Siemens sicherte sich jüngst auch der südkoreanische Elektronikkonzern Samsung neben den Kooperationsplänen mit dem Redmonder Riesen durch eine Lizenznahme für die Series-60-Software ab - und verblieb damit zumindest mit einem Bein im Lager der Marktführer.

Nokia baut Position erfolgreich aus
Unterdessen baut Nokia mit vielfältigen neuen multimedia-Anwendungen seine Position erfolgreich aus. Für sein interaktives Abenteuerspiel "Nokia Game 2002" konnte das finnische Unternehmen bereits die Rekordmarke von einer Million Spielern in 25 Ländern verzeichnen. Für den Ausbau im Markt mit Geschäftskunden unterzeichnete Nokia Ende vergangener Woche einen Lizenzvertrag mit Reseach in Motion (RIM), einem Software-Hersteller für drahtlose Kommunikation. Künftig kann Nokia die Software BlackBerry nutzen, eine Softwareplattform über die Mitarbeiter von Unternehmen mobil und drahtlos auf ihre E-Mails zugreifen und Informationen austauschen können.

Microsoft: Kooperation mit HTC
Trotz der vergeblichen Versuche, die geschlossene Abwehrfront der führenden Handy-Hersteller zu durchbrechen, hat Microsoft noch einen Trumpf in der Hand. Bei dem taiwanesischen Hersteller HTC lässt das Unternehmen selbst ein Gerät namens SPV produzieren, das es zunächst in Großbritannien gemeinsam mit dem Netzbetreiber Orange vermarktet. Es ist mit zahlreichen Funktionen, einer Digitalkamera sowie mit einem Farbdisplay ausgestattet. Mit Vodafone und T-Mobile soll Microsoft bereits in Verhandlung stehen. "Für die Handy-Hersteller ist das SPV eine ernst zu nehmende Herausforderung", schätzt "c't"- Redakteur Jürgen Kuri.

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