Hochzeit mit Fernost: Siemens holt sich offenbar BenQ für Handysparte an Bord!

Der Siemens-Konzern holt zur Rettung seiner verlustreichen Handy-Sparte offenbar den taiwanesischen Mobilfunkhersteller BenQ an Bord. Wie die "Financial Times Deutschland" berichtete, einigten sich die Konzerne auf ein Gemeinschaftsunternehmen. Eine Siemens-Sprecherin lehnte eine Stellungnahme ab und sagte lediglich, der Aufsichtsrat werdein einer außerordentlichen Sitzung über den Stand der Dinge in der Mobilfunksparte beraten.

Deutschlands größter Elektronikkonzern sucht seit Monaten einen Partner für die defizitäre Handy-Sparte mit weltweit rund 10.000 Mitarbeitern. Der neue Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, der die Sanierung bei seinem Amtsantritt im Jänner zu einer der wichtigsten Aufgaben erklärt hatte, kündigte im April die Ausgliederung des Geschäfts an. Nur wenige Tage später platzte jedoch der Verkauf an den US-Konzern Motorola, den zweitgrößten Handy-Hersteller der Welt. Die Handysparte hatte Siemens in den vergangenen Quartalen Verluste im mittleren dreistelligen Millionen Euro-Bereich beschert.

Der Hersteller BenQ, eine Ausgliederung des Computerkonzerns Acer, könnte in ein Joint Venture laut "FTD" neben guten Kenntnissen über die Märkte auch Gespür für Branchentrends einbringen. Die Taiwaner verfügen demnach über einen Marktanteil von 4 Prozent.

Softwarepanne ließ Absatz einbrechen
Siemens war zuletzt auf einen Anteil von rund 5,5 Prozent und damit auf Platz 6 zurückgefallen. Das Geschäft hatte sich nicht von einer Softwarepanne im vergangenen August erholt; damals ließ ein zu lauter Ausschaltton bei der 65er-Reihe Absatzzahlen und Preise einbrechen. Zudem wurde Siemens in der Vergangenheit vorgehalten, Trends im Handymarkt verschlafen zu haben. Marktführer Nokia hat einen Weltmarktanteil von gut 30 Prozent.

Die Handy-Marke Siemens soll nach Kleinfelds Willen auch bei einem Joint Venture bestehen bleiben. BenQ erzielt der Zeitung zufolge derzeit 60 Prozent seines Umsatzes mit der Produktion für andere Unternehmen. Außerdem fertigt der Konzern Flachbildschirme und Laptops. Mit seinen Mobiltelefonen hatte BenQ nach eigenen Angaben 2002 einen Marktanteil von vier Prozent.

Siemens will aussteigen
Siemens hatte im weltweiten Handygeschäft zuletzt massiv Boden verloren. Der Marktanteil fiel auf 5,5 Prozent im Zeitraum Jänner bis März, im selben Zeitraum 2004 waren es noch acht Prozent gewesen. Die Zahl der verkauften Mobiltelefone brach auf 9,3 Millionen nach 12,8 Millionen im Vorjahreszeitraum ein.

Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtete, favorisiert Siemens langfristig den Ausstieg aus dem Handy-Geschäft, das dem Konzern im vergangenen Quartal einen Verlust von 138 Mio. Euro bescherte. Dagegen sprechen sich allerdings die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat aus. Sie fürchten, dass der Rückzug aus dem Endkunden-Geschäft die gesamte Kommunikationssparte (Com) gefährdet.

Standortgarantie abgegeben
Erschwert wurden die Verhandlungen mit Interessenten nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" durch die angestrebte Sicherung der rund 6.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Der künftige Partner sollte demnach möglichst nicht über eine besonders große Fertigung verfügen, um die Produktion in Deutschland halten zu können. Die Siemens-Führung hatte 2004 eine Standortgaratie für nordrhein-westfälischen Werke Kamp-Lintfort und Bocholt für 2006 und darüber hinaus abgegeben, nachdem die Mitarbeiter eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 35 auf 40 Stunden ohne Lohnausgleich akzeptiert hatten.

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben den Siemens-Konzern aufgefordert, bei einer Partnerschaft in jedem Fall die Mehrheit an der defizitären Handysparte zu behalten. "Es darf nicht um einen Ausstieg gehen", sagte Wolfgang Müller von der IG Metall. Siemens müsse in einem Gemeinschaftsunternehmen die industrielle Führung haben, nur so könne eine verlässliche Lösung für die Arbeitnehmer gefunden werden. In jedem Fall müsse es umfangreiche Garantien für die Beschäftigten geben. (apa/red)