Handy-Zukunft ist in Japan bereits greifbar:
Navigation, Strichcodes, TV-Kanäle und Co.

Handy-Zukunft ist in Japan bereits greifbar:
Navigation, Strichcodes, TV-Kanäle und Co.

Was sich in Europa erst langsam durchsetzt, ist in Japan anscheinend schon Schnee von gestern. Mobile Anwendungen, die das Handy zur "Fernbedienung des digitalen Lebens" machen, sind praktisch allgegenwärtig und geben einen Ausblick auf die Mobilfunkwelt von morgen.

"Europa macht im Mobilfunk vieles falsch. Die Regierungen haben mit den Lizenzkosten einen Fehler begangen und die Netzbetreiber sollten sowohl die Preisstruktur ändern als auch neue Erlösmodelle mit den Inhalteanbietern erarbeiten", erklärte Trendscout Christopher Billich gestern, Mittwochabend, bei einer Veranstaltung der Mobile Marketing Association Austria in Wien.

Mit- statt gegeneinander
Ausschlaggebend für den Siegeszug in Japan seien die langfristige Zusammenarbeit aller Marktteilnehmer, offene Standards und kostenlos vergebene Lizenzen gewesen. "Das mobile Ökosystem funktioniert: Gerätehersteller, Netzbetreiber und Contentanbieter ziehen an einem Strang. Und es gibt klare Preismodelle, bei denen die Internet- und E-Mail-Nutzung über eine Pauschalgebühr bezahlt wird", so der Experte. Zwei Drittel der Japaner nutzen Internet am Handy und sind damit für 40 Prozent des globalen mobilen Datenverkehrs verantwortlich. "Die Infrastruktur ist vollständig ausgebaut, weiße Flecken gibt es praktisch nicht mehr."

Sprachverlangsamung, Lupe, Kompass & Co.
Am wichtigsten für hohe Nutzungsraten sind aber innovative Anwendungen. Bei Telefonaten mit älteren Personen ist es in Japan möglich, eine Sprachverlangsamung zu aktivieren, damit die Senioren der Unterhaltung leichter folgen können. Und bei schwachem Sehvermögen wird die Kamera des Mobiltelefons zur Lupe. Kompass-Chips erlauben es beispielsweise auf ein Gebäude zu zeigen und dadurch Daten abzurufen. Bei einem Kaufhaus würden die Art der Waren angezeigt und Coupons für Sonderangebote auf das Handys geschickt. Im Bereich mobile Spiele - etwa Tennis oder Fechten - sorgen eingebaute Bewegungssensoren für Action.

Geo-Scans ohne rechtliche Folgen
Für Kinder gibt es stoßfeste Geräte, die mit einem Alarmknopf ausgestattet sind. Im Notfall wird eine E-Mail mit den exakten Ortsangaben an die Eltern geschickt, die aber ohnehin jederzeit abrufen können, wo sich ihre Sprösslinge aufhalten. "Datenschutzrechtliche Belange haben in Japan prinzipiell fast keine Bedeutung", gab sich der Experte überzeugt. Ortsbezogene Dienste wie die Restaurant-Suche würden inzwischen teilweise dreidimensional dargestellt.

Handy-TV im "Probebetrieb"
Maßgeschneiderte TV-Programme für unterwegs sind in Japan erst ab 2008 erlaubt. "Manche Betreiber schicken ihren Kunden in der Nacht, wenn die Netzauslastung am geringsten ist, Videos auf das Handy. Dadurch sollen die User an mobiles Fernsehen gewöhnt werden - was aber in Japan ohnehin kostenlos ist", erzählte der 32-Jährige. Ausgestrahlt werden TV-Programme inklusive Datenfeed und Rückkanal, was Interaktion in Echtzeit ermögliche. Probleme bereite noch die Akku-Leistung, allerdings werde an Brennstoffzellen für das Mobiltelefon gearbeitet.

NFC unterstützt M-Commerce
Im Trend liegt auch die Nahfunktechnik NFC (Near Field Communication), die einen kabellosen Datenaustausch zwischen elektronischen Geräten über Distanzen von wenigen Zentimetern ermöglicht, beispielsweise indem man sein Mobiltelefon in die Nähe eines Terminals hält. Rund 30 Prozent der Endgeräte sind bereits mit entsprechenden Chips, die Geldbörse und Schlüsselbund ersetzen, ausgestattet. Die "Wallet Phones" werden dabei sowohl als mobile Kreditkarten in Geschäften als auch für den Ticketkauf im öffentlichen Verkehr eingesetzt. Unternehmen wie McDonalds würden nun auf diesen Zug aufspringen. Kein Wunder: Der japanische Markt für "schnelle Einkäufe" bis zu einem Betrag von zehn Euro wird auf 370 Mrd. Euro pro Jahr geschätzt. (apa/red)