Fabelhafte Flunder mit Fehlkonstruktion:
Das iPhone 4 von Apple im NEWS.at-TEST

Kundenansturm, Warteschlange, Ausverkauf - Das sind die Worte, mit denen derzeit der neueste Handywurf von Apple - das iPhone 4 - brillieren kann. Alleine in den USA verkaufte das Unternehmen in den ersten drei Tagen 1,7 Millionen Stück und auch hierzulande spricht man schon von der Droge iPhone 4, weil die zwei Exklusivanbieter Orange und T-Mobile abertausende Kunden nur noch mit Wartezeiten vertrösten können. Wird das iPhone 4 diesem Hype gerecht? NEWS.at wurde von Orange ein Gerät zur Verfügung gestellt und hat es unter die Lupe genommen.

Beim Auspacken aus der gewohnt schlicht gehaltenen Schachtel fällt zuerst auf, dass das Gehäusedesign gänzlich umgekrempelt wurde. Klar, wesentliche Grundzüge - allen voran die Tastenanordnung - wurden beibehalten. Das Gerät ist jedoch deutlich dünner und glänzt auch auf der Rückseite mit einer Glasscheibe. In Kombination mit dem silbernen Metallrahmen, der das Gerät umspannt, strahlt das iPhone 4 eine minimalistische und zeitlose Ästethik aus, der man sich nur schwer entziehen kann.

Es wirkt zugleich aber auch kantiger und weniger anschmiegsam als seine bulligen Vorgänger. Gleichgeblieben ist die extrem hochwertige Verarbeitungsqualität. Und die starke Schmutzanfälligkeit: Jeder Fingerabdruck und jedes Flankerl macht sich gnadenlos an der Hochglanzoptik bemerkbar. Für die Adrian Monks unter uns bedeutet das: Putzen, wischen, säubern, reinigen...

Erde an iPhone, Erde an iPhone...
Im Vorfeld des Tests wurde permanent von der angeblichen Empfangsschwäche des neuen Apple-Handys berichtet: Eine Beschwerdeflut unzufriedener Nutzer und nicht zuletzt auch Warnungen von Konsumentenschützern wiesen auf den Umstand hin, dass das schicke Metallband ums Handy auch als Antenne dient und bei Berührung der kleinen schwarzen Streifen an der Unterseite signifikante Empfangseinbußen auftreten. Apple reagierte mit einer Gratis-Schutzhülle und dem Anschwärzen der Konkurrenz .

Was ist also am Wirbel dran? Die schlechte Nachricht: Dieser Schönheitsfehler konnte tatsächlich auch im NEWS.at-Test bestätigt werden. Die als "Death Grip" bezeichnete Haltung ließ sich problemlos nachvollziehen: Der richtige Ort und ein bisschen Übung vorausgesetzt und man kann mit der Signalpegelanzeige Jo-Jo spielen. Die (halbwegs) gute Nachricht: Mit komplettem Empfangsverlust ist nur in Gebieten zu rechnen, wo es um die Netzabdeckung ohnehin schon schlecht bestellt ist. Abhilfe verspricht nur eine (Gratis-)Schutzhülle oder das Abkleben der empfindlichen Stelle. Für ein Smartphone in dieser Preisklasse ziemlich peinlich.

Display? Referenzverdächtig!
Das positive Highlight des iPhone 4 ist hingegen der Bildschirm: Das sogenannte Retina-Display verfügt über eine sagenhafte Auflösung von 960 mal 640 Pixel und wirkt fast schon wie Kunstdruck. Kein Wunder: Mit 326 Pixel pro Zoll übersteigt die Dichte das Fassungsvermögen des menschlichen Auges. Einzelne Pixel sind mit bloßem Auge kaum zu erkennen, ein extrem scharfes und kontrastreiches Bild ist die Folge. Hier setzt Apple zweifelsohne neue Maßstäbe, lediglich die Super-AMOLED-Technologie von Samsung (etwa beim Galaxy S) kann da noch Paroli bieten.

Brachiale Performance
Das Auge gewöhnt sich rasch an das Luxus-Display und so bleibt "nur" die brachiale Performance, die im Alltag immer wieder zu überraschen weiß. Der neue A4-Prozessor von Apple und die Verdopplung des Arbeitsspeichers auf 512 MB erlauben eine blitzschnelle Navigation durch die Menüs und das unverzögerte Starten von Anwendungen. Kurzum: Fantastisch.

Auch die neue 5-Megapixel-Kamera mit Blitz weist im Gegensatz zu den Vorgängermodellen keinerlei Verzögerung auf. Selbst die Videoqualität wirkt erstmals wirklich überzeugend: Ließen Filme beim 3GS qualitativ noch stark zu wünschen übrig, glänzt das neue iPhone mit tadellosen HD-Videos. Wer nachts filmen will, kann sogar die LED-Leuchte anschalten. Kleiner Wermutstropfen: Der Speicher des iPhone lässt sich nach wie vor nicht erweitern, was den Nutzer in Anbetracht des steigenden Bedarfs bei HD-Material noch schneller an die Grenzen stößen lässt.

Langfristige Überraschung: Trotz Luxus-Display und deutlich mehr Power unter der Haube konnte auch die Laufzeit des Geräts verbessert werden. Die neue Technologie wurde auf den gut 1400 mAh starken Akku so abgestimmt, dass man das iPhone 4 nach ein paar Ladezyklen bei durchschnittlicher Nutzung alle zwei Tage aufladen muss. Ein sehr guter Wert, der für Smartphones dieser Kategorie keine Selbstverständlichkeit ist.

FAZIT
Unterm Strich bleibt eine fabelhafte Flunder übrig, die mit Hilfsmitteln über eine peinliche Fehlkonstruktion hinwegtäuschen muss. Entweder schönes Design ODER solide Empfangsleistung. Ohne Kompromissbereitschaft muss man entweder auf das nächste Hardware-Update warten oder zur Konkurrenz schielen. Denn anders als zur Zeit der ersten Apple-Smartphones befindet diese sich mittlerweile auf Augenhöhe mit dem iPhone 4.

Abgesehen von diesem Schönheitsfehler weiß das iPhone 4 langfristig mit deutlichem Performance-Schub zu begeistern. Sichtlich nachgebessert hat Apple auch mit dem Retina-Display, das die Augen mit Schärfe und Reaktionsschnelligkeit verwöhnt. Last but not least wäre die Akkulaufzeit zu erwähnen, die gegenüber seinen Vorgängern trotz Mehrleistung erhöht werden konnte.

Über Erfolg oder Misserfolg braucht man beim iPhone 4 nicht zu sinnieren: Das Smartphone wird dank seiner Vorgänger den Kult weiterspinnen. Daran ändert auch die Fehlkonstruktion der Antenne nichts, die im Test bestätigt werden konnte. Schließlich lässt sich der Makel ja via Gratis-Schutzhülle oder Isolierband beheben. Aber mal ehrlich: Würden Sie den Leasingvertrag für einen Sportwagen unterzeichnen, dessen Gaspedal halt ab und zu klemmt, mit dem richtigen Schuhwerk aber reibungslosen Betrieb ermöglicht? (bb)