Die dunkle Seite von Computer und Handy:
Arbeiten in der (Alb)traumfabrik Foxconn

Die dunkle Seite von Computer und Handy:
Arbeiten in der (Alb)traumfabrik Foxconn

Bis vor einem halben Jahr fragte sich kaum jemand, woher die vielen kleinen Teile stammen, die Computer oder Handy zu funktionierenden Gebrauchsgegenständen machen. Es brauchte eine Selbstmordserie in China, um die globale Öffentlichkeit auf diese Frage aufmerksam zu machen. Foxconn ist mittlerweile zum Synonym für unmenschliche Arbeitsbedingungen geworden, die junge Arbeiter und Arbeiterinnen in den Suizid treiben.

Die Foxconn-Fabrik in Longhua im südchinesischen Shenzhen beschäftigt 300.000 Menschen. Sie stellen in Schicht-arbeit Bauteile für die Elektronikindustrie her. Die meisten sind junge Wanderarbeiter aus ländlichen Gegenden, die, kaum ausgebildet, gerade mal den Mindestlohn von etwas mehr als 100 Euro im Monat verdienen. Das zwingt viele zu Überstunden. Sie leben in Wohnheimen mit Massenschlafsälen, wissen aber oft gar nicht, wie ihre Mitbewohner heißen, denn für die meisten besteht der Alltag aus Schicht, schlafen, Schicht, schlafen. Den Fabrikskomplex verlassen sie praktisch nie, der ist wie eine Stadt in der Stadt - mit Geschäften, Kantinen, Banken, Post, Internetcafés und Schwimmbädern. Die öde, harte und stressige Arbeit trieb seit Jahresbeginn elf Arbeiter in den Freitod - das sorgte weltweit für Schlagzeilen.

Foxconn ist überall
Das finden wir als westliche Endkunden der Elektronikindustrie natürlich alle schrecklich - es sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Foxconn beileibe kein Einzelfall ist. "Die Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben sind überall relativ gleich", sagt Andrea Ben Lassoued von der Südwind Agentur. Und derer gibt es viele, vor allem in Asien und Mexiko.

Sprechverbot
Die meisten Arbeiter und Arbeiterinnen bei Foxconn müssen ihren Job am Fließband stehend verrichten. Sie dürfen dabei weder sprechen noch den Kopf heben. Die Geschwindigkeit des Bandes gibt vor, wie viel Zeit sie für das haben, was sie tun müssen - meist nur wenige Sekunden, wenn überhaupt. In einer thailändischen Fabrik, wo Tastaturen hergestellt werden, sind's genau 1,1 Sekunden pro Taste und Arbeiter. Und in Mexiko gibt's eine Fabrik, wo für 70 Arbeiterinnen ganze zwei Toiletten zur Verfügung stehen. Wenn sie aufs Klo müssen, brauchen sie eine Erlaubniskarte, davon existieren ebenfalls zwei.

Netze und Formulare
Bei Foxconn in China versucht man jetzt, weitere Selbstmorde zu verhindern. Dazu wurde das Wachpersonal verstärkt, es wurden zwischen den Gebäuden Netze gespannt (die meisten Selbstmörder sprangen von den Dächern), und die Arbeiter müssen Formulare unterschreiben, dass sie sich selbst (und anderen) nichts antun. Darüber hinaus sollen die Löhne im Herbst um 70 Prozent angehoben werden -allerdings passiert das ohnehin mit den Mindestlöhnen in der ganzen Region.

Im Licht der Öffentlichkeit
Die ganze Sache ist natürlich den Markenfirmen, die bei Zulieferern wie Foxconn arbeiten lassen (und das sind praktisch alle, siehe Kasten unten), ausgesprochen unangenehm - wer will schon, dass an seinen viel gepriesenen Geräten der Geruch von Ausbeutung und Blut hängt? Statement von Apple: "Wir sind traurig und erschüttert von den jüngsten Selbsttötungen bei Foxconn. Apple sorgt sehr dafür, dass die Bedingungen in unserer Lieferkette sicher sind und Beschäftigte mit Respekt und Würde behandelt werden." Und HP reagierte wie folgt: "HP hat kürzlich eine Untersuchung der Vorgangsweisen von Foxconn, einem unserer Lieferanten, eingeleitet, um Bedenken zu adressieren, die nach einer Reihe tragischer Vorfälle in deren Shenzhen-Fabriken entstanden sind. Nach einer ersten Untersuchungsphase hat HP mehrere Verbesserungsbereiche identifiziert, und wir arbeiten proaktiv mit Foxconn daran, diese Bereiche zu adressieren. Unser erster Schritt ist, einen Maßnahmenplan mit Foxconn zu implementieren, um die Arbeiter/Management-Kommunikation zu verbessern, ebenso die Lebensbedingungen und die psychologische Betreuung der Arbeiter."

Eines ist klar: Die Markenfirmen stecken in einem gewissen Dilemma: Einerseits haben sie einen Ruf zu verlieren, andererseits stehen sie unter einem enormen Konkurrenzdruck, was die Preisentwicklung betrifft - schon ein paar Cent, die ein Chip mehr kostet, verteuern ihre Produkte.

Was jeder tun kann
In Zeiten von Fair Trade und Bio sollte es eigentlich möglich sein, Ähnliches auch im Elektronikbereich zu schaffen. Nur leider kann man auf einen Computer, der aus vielen, vielen Einzelteilen aus allen möglichen Fabriken dieser Welt stammt, kein Pickerl drauftun wie auf Bio-Eier aus Freilandhaltung oder auf den Kaffee einer fair behandelten mittelamerikanischen Genossenschaft. Was aber sehr wohl jeder tun kann: über die Probleme in den betroffenen Ländern nachdenken, in seinem Freundeskreis darüber sprechen oder Initiativen wie die Online-Petition der Südwind Agentur unterstützen. Schließlich gelang es ja auch (zumindest halbwegs), ein weltweites Problembewusstsein zu schaffen, was CO2-Ausstoß und Umweltbewusstsein anbelangt * warum sollte das in Zeiten der globalen Vernetzung via Internet nicht auch im sozialen Bereich zu schaffen sein?

(E-MEDIA/Kröll)