Neue Debatte um Killerspiele entbrannt:
Wissenschaftler bezweifeln totales Verbot

Der Amoklauf eines Ex-Schülers an der Realschule in Emsdetten in Nordrhein-Westfalen hat in Deutschland eine neue Debatte um ein Verbot gewaltverherrlichender Computerspiele und den Umgang mit Gewalt in der Gesellschaft ausgelöst. Die bayerische Staatsregierung plädierte für ein Verbot sowohl einschlägiger Computerspiele wie auch von "echten" Killerspielen, bei denen mit Farbpatronen oder Weichgummi-Bällen auf Mitspieler geschossen wird.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann kündigte eine Bundesrats-Initiative zum Verbot Gewalt verherrlichender Computerspiele an. Andere Politiker von SPD und Union zeigten sich zwar offen für schärfere Gesetze, plädierten zugleich aber für eine tiefer gehende Debatte um Gewalt in der Gesellschaft. Vertreter von Elternverbänden und Wissenschafter sprachen sich zudem für eine stärkere Werteerziehung aus.

Amoklauf eine direkte Folge von Spielen?
Die bayerische Familienministerin Christa Stewens zog sogar eine direkte Verbindung zwischen Computerspielen und dem Amoklauf vom Montag, bei dem der 18-jährige Täter an einer Realschule in Emsdetten fünf Menschen durch Schüsse schwer verletzt hatte bevor er sich dann selbst tötete. Sie forderte die große Koalition in Berlin auf, rasch Änderungen im Medienschutz Jugendlicher durch Verbote auf den Weg zu bringen. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass ein Verbot von Killerspielen geprüft werden solle.

"Wir brauchen Frühwarnsysteme"
Der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sagte, zwar könne eine Verbotsdebatte sinnvoll sein, gleichzeitig dürfe es keine kurzschlussartige Panik-Reaktion geben. "Wir brauchen Frühwarnsysteme, und nicht diese vordergründige Diskussion um das Verbot von Killerspielen", sagte er dem Sender N24. Die Grünen nannten es kurzsichtig, die Schuld für die Tat allein bei Computerspielen zu suchen. Sie würden reflexartig als Sündenbock herangezogen, wenn die Bildungs- und Jugendhilfepolitik der Länder kaschiert werden solle, erklärte die Grünen-Abgeordneten Grietje Bettin und Kai Gehring.

Killerspiele-Verbot zweifelhaft
Auch Wissenschafter zweifelten am Sinn eines Verbotes von Gewalt-Computerspielen. "Mit einem Verbot würde man das Ganze nicht in den Griff bekommen. Ein Verbot könnte für jüngere Leute einen noch größeren Anreiz bieten, sich das Spiel zu besorgen", sagte der Berliner Professor für Entwicklungspsychologie Herbert Scheithauer. "Nicht jeder Mensch, der solche Spiele spielt, wird zum Amokläufer." Gefährdet seien vor allem Jugendliche, die unkontrolliert Medien konsumierten, wenig Sozialkontakte hätten und von Gewalt fasziniert seien.

Gewaltbereitschaft nach Spielen nicht belegt
Ein Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und der Nutzung von Computerspielen ist auch nach einer Studie der deutschen Bundesregierung bisher nicht klar belegt. Zwar gäben die gewalttätigen Inhalte vieler Spiele Anlass zur Sorge und ließen stärkere negative Wirkungen als beim Fernsehkonsum erwarten, heißt es in der Studie "Medien und Gewalt" des Familienministeriums. Für eindeutige Aussagen reiche die Forschungslage aber nicht aus. (apa/red)