Spiegelreflex statt teurer Filmkamera:
"Mundl"-Kameramann Lechner im Interview

Was haben das Finale der aktuellen 6. "Dr. House"-Staffel, der neue "Mundl"-Film und zahlreiche Werbespots (Don Gil, Opel etc.) gemeinsam? Statt einer teuren analogen oder digitalen Filmkamera kommt bei allen eine digitale Spiegelreflexkamera, kurz DSLR, zum Einsatz. Eigentlich sollte die Videofunktion aktueller Spiegelreflexkameras nur ein nützliches Extra für Fotografen sein, die kurze Szenen auch filmisch festhalten möchten, doch die Qualität der Videos ist dermaßen beeindruckend, dass sich die Filme durchaus auch für die Leinwand oder das Fernsehen eignen. E-MEDIA hat dazu den "Mundl"-Kameramann Clemens Lechner interviewt.

E-MEDIA: "Echte Wiener 2" wird auf mehreren umgebauten Canon EOS 7D gedreht. Was sind die wichtigsten Beweggründe, die 7D zu verwenden und wo liegen die größten Vorteile?

Clemens Lechner: Die wichtigsten Beweggründe sind finanzieller Natur: nachdem bekanntermaßen der Filmfonds Wien den Film nicht fördert, waren drastische Einsparungen gegenüber "Echte Wiener 1" notwendig. Die Vorteile sind: günstigere Gerätemieten, Wegfall der Kosten für Filmmaterial/Filmentwicklung/Videoabtastung, das Material kann am Set sofort an einem mobilen Schnittplatz bearbeitet, Fehler somit gleich entdeckt und korrigiert werden und nicht erst nach der Filmentwicklung am nächsten Tag.

Die heutigen CMOS Sensoren sind extrem lichtstark, rauscharm. Geringere Lichteinheiten sind notwendig, speziell außen bei Nacht und dadurch auch weniger Personal notwendig. Die Ergebnisse sehen fantastisch aus, für eine 1.300.- Kamera geradezu unfassbar. Das Ergebnis kommt dem gewohnten 35mm Filmlook erstaunlich nahe. Viele Werbefilmdrehs werden derzeit statt auf 35mm auf Canon EOS gedreht (vielleicht ein Nebeneffekt der Finanzkrise) und der Unterschied ist in den meisten Fällen vom Laien nur schwer zu erkennen.

Die Sensorgröße der 7D entspricht beinahe exakt der Größe des S35mm Negativs. D.h. die Tiefenschärfe verhält sich wie bei 35mm Film (im Unterschied zu Videokameras mit kleineren Sensoren), was den filmischen Eindruck sehr unterstützt. Die 5D Mark II hat einen Vollformat-Sensor, der eine wesentlich geringere Tiefenschärfe zur Folge hat. Diese wird beim Film teilweise schon zum Problem, da das manuelle Nachziehen der Schärfe für den Schärfenassistenten (Focus-Puller) bei offener Blende oft unmöglich ist (Autofocus gibts beim Film noch nicht). Schließe ich aber die Blende, wird der Vorteil der lichtstarken Sensoren zunichte gemacht.

Ebenfalls könnten wir an der 5D Mark II die hochwertigen Filmobjektive nicht verwenden, da besonders kürzere Brennweiten den Vollformatsensor nicht auszeichnen.
Die Kamera ist verglichen mit einer Filmkamera extrem klein und leicht, bringt also in engen Motiven wie zB im Auto große Vorteile.

E-MEDIA: Was sind die Nachteile, und worauf ist besonders zu achten?

Clemens Lechner: Die 7D ist ein Fotoapparat der gehobenen Amateurklasse und der Filmmodus ist nicht für den harten Einsatz beim Spielfilm vorgesehen. Abgesehen vom Drehen mit mehreren Kameras gleichzeitig (Zeitersparnis) ist die im Vergleich zu professionellem Filmequipment mangelnde Verlässlichkeit auch ein Grund, warum wir mehrere Kameras am Set haben werden.

Der Sensor wird bei Dauereinsatz sehr heiss. Die Folge ist: je heisser der Sensor, umso stärker das Bildrauschen. Wird er zu heiss, schaltet sich die Kamera ab.

Größter Schwachpunkt ist wohl der HDMI Stecker, der seitlich weit aus der Kamera heraussteht und geradezu dazu prädestiniert scheint, beim permanenten Einsatz abzubrechen. Dieser hat mit einer professionellen Steckverbindung nichts gemein, ähnelt eher einem USB Stick. Und wer hat noch keinen USB Stick an seinem Laptop abgerissen? HDMI Steckverbindungen sind halt nur dazu gedacht, die Kamera hin und wieder mit einem Fernseher zu verbinden.

Die Verwendung eines optischen Suchers ist im Live-View Mode nicht möglich, der interne Monitor zum Schwenken und zur Beurteilung der Belichtung und der Schärfe nur bedingt zu verwenden.

Die 7D zeichnet ein komprimiertes H264 Signal in Full HD auf. Vorteil: Die Datenmenge ist klein, Nachteil: die Möglichkeiten in der Nachbearbeitung (Farbkorrektur, Effekte) sind sehr eingeschränkt (Vgl. digitale Fotografie: RAW und jpeg). Die Komprimierung ist zwar sehr gut (im Vergleich zu Nikon), Artefakte jedoch in manchen Situationen sehr wohl sichtbar.
Der Kontrastumfang der 7D reicht nicht an den von analogem Filmmaterial heran. Die 7D hat in etwa einen Kontrastumfang von 11 Blendenstufen, Film 13. Überbelichtung ist extrem heikel.

E-MEDIA: Mit welchem Zubehör wird gearbeitet?

Clemens Lechner: Die Kameras haben einen neuen Mount, den sogenannten PL-Mount, sodass sämtliche professionellen 35mm Filmobjektive und das gesamte gewohnte Zubehör wie Follow-Focus (Schärfenzieheinrichtung), Mattebox (Gegenlichtblende und Filterhalter), Schwenkkopf verwendet werden kann. Die Kameras besitzen keinen optischen Sucher und keinen Spiegel mehr, Fotos können nur noch im Live-View Modus gemacht werden. Wir verwenden das gleiche Zubehör, das wir von der Arbeit mit Filmkameras gewohnt sind. Neu ist der 7" HDMI Onboard-Monitor von Marshall, den wir zum Schwenken, Beurteilen der Schärfe und zur Belichtung verwenden.

E-MEDIA: Was sagen Sie allgemein zum Trend “Filmen mit der DSLR”?

Clemens Lechner: Canon war sich wohl nicht bewusst, welche Revolution sie mit der Entwicklung des Filmmodus an DSLRs lostreten würden. Wahrscheinlich wollten sie dem Fotoamateur auch nur die Möglichkeit bieten, kleine Filmchen mit der DSLR zu drehen, wie es Benutzer einer Compact-Digitalkamera schon lange gewohnt sind. Durch die Entwicklung des Live-View ist dies auch bei DSLRs möglich geworden.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Canon Techniker daran gedacht haben, welche Möglichkeiten die Entwicklung dieses Video-Modus für Low-Budget Filmemacher bieten würde, war dieser ja erst mit dem Firmware-Update der 5D Mark II wirklich ernsthaft verwendbar.

Eine rasende Entwicklung steht uns in den kommenden Jahren bevor, ähnlich wie sie in der digitalen Fotografie bereits vor langer Zeit stattgefunden hat. Ich sage nicht, dass der analoge Film komplett vom Markt verdrängt wird, aber es wird sich sehr viel ändern.

E-MEDIA: Vielen Dank für das Interview!

(E-MEDIA/Putnik)