Microsoft-Chef Gates: "Uns geht es ja selbst wie der Musik- oder Filmindustrie!"

Der Personal Computer hat nach Ansicht von Bill Gates seinen Siegeszug außerhalb der Büros fortgesetzt und längst den privaten Lebensbereich der Menschen erreicht. "Wir haben in den vergangenen drei Jahren eine Million (des Unterhaltungs-PC) Windows Media Center verkauft und liegen damit über unseren Erwartungen", sagte der Mitbegründer von Microsoft in Los Angeles. In den kommenden Jahren werde Microsoft ein Vielfaches absetzen.

"Der PC kommt tatsächlich immer stärker ins Wohnzimmer. Und auch in der Studentenbude oder im Schlafzimmer wollen immer mehr Leute Musik am PC hören oder Fotos anschauen. Man kann gar nicht mehr sagen, wo das genau stattfindet, weil es sich überall abspielt."

Die Stückzahl der Media Center PC macht nach verschiedenen Berichten von Marktforschungsinstituten bisher nur rund drei Prozent des Absatzes aller Personal Computer aus. Diese Rechnung will Gates allerdings nicht gelten lassen. "Uns kommt es nicht darauf an, wie viele Media Center wir im Vergleich zu den Office-PC verkaufen, sondern nur die absolute Stückzahl."

Durchbruch am Massenmarkt
In diesem Jahr stelle Microsoft die dritte Version des Media Centers vor, die den Durchbruch in den Massenmarkt bringen werde. "Es ist typisch für Microsoft, dass wir zunächst etwas auf den Markt bringen, dass in seinen frühen Versionen einen kleinen Interessentenkreis anspricht." Sein Unternehmen habe beim Windows Media Center dann die Rückmeldungen dieses "harten Kerns" aufgenommen und zusammen mit Hardware-Herstellern und Inhalte-Anbietern kontinuierlich an Verbesserungen gearbeitet.

Gates räumte ein, dass Apple mit dem Musikplayer iPod und dem Onlinemusikladen iTunes Musicstore eine Vorreiterrolle in der digitalen Unterhaltung gespielt habe. "Es ist aber wichtig zu verstehen, dass Musik ein Teil der Vision der "Digitalen Unterhaltung überall" (Digital Entertainment Anywhere) ist und zwar ein wichtiger Teil.

"Uns geht es wie der Musikindustrie"
Wenn wir an Musik denken, dann denken wir nicht nur an einen einzigen Musikladen oder ein einziges Abspielgerät. Wir glauben, dass Auswahlmöglichkeiten wichtig sind. Wir glauben, dass man ein Musikgerät auch vom Sofa aus bedienen können muss. Wir glauben, dass Abonnements von Musikinhalten der richtige Weg sein können." All dies gehe weit über den Ansatz von Apple hinaus.

Im Kampf gegen Raubkopierer könne Microsoft keine aktive Rolle bei der Strafverfolgung übernehmen. "Uns geht es ja selbst wie der Musik- oder Filmindustrie, denn wir wollen für unsere Leistungen bezahlt werden." Microsoft arbeite im Dialog mit den Plattenfirmen und Filmstudios daran, attraktive Inhalte digital auf unterschiedlichsten Geräten bereitzustellen. Hollywood sei inzwischen klar, dass digitale Unterhaltung stattfinde. "Sie brauchen Lizenzmodelle, die digitales Entertainment fördern, das nach Nutzung bezahlt wird. Wir möchten das so einfach wie möglich machen. Wenn Medienfirmen Inhalte zu günstigen Preisen anbieten können, dann wird der Anteil der Piraterie auf einem erträglichen Niveau gehalten werden können."

"Sind keine Gatekeeper"
Der Chef-Software-Architekt von Microsoft wies Aussagen von Kritikern zurück, der weltgrößte Softwarekonzern entwickle sich mit seiner Technologie zum Management von Urheberrechten ("Digital Rights Management") zu einer übermächtigen Kontrollinstanz der Medienindustrie. "Wir sind kein Gatekeeper", sagte Gates. Microsoft habe keine Kontrolle darüber, wer welche Inhalte für ein Windows Media Center produziere oder veröffentliche. Ganz im Gegenteil werde die Microsoft-Technologie dazu beitragen, das ehemalige Quasi-Veröffentlichungsmonopol von Rundfunksendern weiter aufzuweichen.

"Wenn Sie zum Beispiel die legendären Vorlesungen des (1965 mit dem Nobelpreis ausgezeichneten) Physikers Richard Feynman suchen, werden sie im Programm der Rundfunksender nicht fündig. Weil das Windows Media Center Sie mit dem Internet verbindet, können Sie jetzt die Vorlesungen schnell finden und sie anschauen, wann immer Sie Zeit dazu haben."

Schluss mit dem Fernbedienungen-Chaos
Eine der großen Herausforderungen für Microsoft im Markt der digitalen Unterhaltung sei es, die Komplexität der Geräte möglichst gering zu halten. Dies sei aber auch bislang ein großes Problem für die Elektronikindustrie gewesen. "Heute liegen auf einem Wohnzimmertisch häufig bis zu fünf Fernbedienungen für den Fernseher, die Settopbox, den Satelliten-Empfänger, den DVD-Player und die Stereo-Anlage. Und manche Funktionen der Geräte kann man noch nicht einmal damit ansteuern." Dieses Problem habe die Industrie bisher nicht gelöst.

"Sie konnten ja nicht noch eine Fernbedienung dazulegen." Microsoft ersetze nun vier oder fünf Fernbedienungen durch eine. Dennoch biete ein Windows Media Center hundertmal mehr Funktionen, da das Gerät über eine einfache grafische Benutzeroberfläche angesprochen werde. (apa)