FORMAT: Software-Lizenzen aus zweiter Hand sind ebenso gut wie das Original

Was für den Automarkt billig ist, kann für das Investitions-gut Software nur recht sein. Der deutsche IT-Berater Jörg Henschel, Geschäftsführer der Metrix Consulting GmbH in Mönchengladbach, vertritt die Meinung, dass mit einer einmaligen Zahlung und der Überlassung eines uneingeschränkten Nutzungsrechts die Software ebenso zu behandeln ist wie jedes andere Wirtschaftsgut.

Damit könnte man die erworbene Lizenz beliebig weiterverkaufen. Ein Vorgang, die in kleinem Umfang auf eBay tagtäglich stattfindet.

Dort gibt es einen regen Austausch von Softwarelizenzen. Hier werden in erster Linie Produkte gehandelt, die von den Herstellern offiziell nicht mehr vertrieben werden. Wer für ein spezielles Projekt etwa Windows 98 braucht, wird hier fündig. Diese Lizenzen wechseln ohne Komplikationen durch den Hersteller den Besitzer.

Billigere Upgrades
Ein weiterer Aspekt ist der preiswerte Erwerb von offiziellen Lizenzschlüsseln. Weil Upgrade-Software bis zu 80 Prozent preiswerter als eine neue Vollversion ist, kann man mit einem gebrauchten Softwareschlüssel gutes Geld sparen. Das Desktop-Publishing-Programm QuarkXPress kostet etwa 2.000 Euro, ein Upgrade von Version 5 auf 6 nur rund 600. Mit einer alten Lizenz lässt sich hier einiges sparen. Nur muss man sichergehen, dass nicht zuvor jemand den Schlüssel genutzt hat, denn den neuen Freischaltcode bekommt man von Quark erst nach Eingabe der alten Zahlenkombination. Und der zentrale Quark-Server registriert jeden wiederholten Upgrade-Versuch.

Nachhaltige Unterschiede
Auch wenn der Vergleich mit dem Gebrauchtwagenmarkt auf den ersten Blick logisch erscheint, bei detaillierter Betrachtung ergeben sich sowohl für den Hersteller als auch für den Anwender nachhaltige Unterschiede. Größter Vorteil: Software verschleißt nicht. Eine Kopie ist nicht von minderer Qualität, und Programme nutzen sich durch intensive Verwendung nicht ab. Betriebswirtschaftliche Standardsoftware braucht wie jedes Auto eine jährliche TÜV-Überprüfung. Die dafür notwendigen Wartungsverträge unterscheiden hier die Software deutlich von einem anderen Wirtschaftsgut.

"Virtuelle Sache"
"Die Lizenz für ein ERP-Programm wie die betriebswirtschaftliche Standardsoftware von SAP ist ja oft nur noch eine virtuelle Sache", erklärt Berater und Software-Händler Axel Susen, Geschäftsführer von Susensoftware. "Der Wert besteht ja unter anderem in Form eines gültigen Wartungsvertrags." ERP-Software muss jährlich den gesetzlichen Änderungen angepasst werden. Die Hersteller wie Oracle, SAP, PeopleSoft oder Microsoft/Navision entwickeln ihre Software auch funktional ständig weiter, sodass für eine mittelfristige Investitionsplanung der Wartungsvertrag entscheidend ist. Einen offiziellen Markt mit Preislisten gibt es für Secondhand-Software noch nicht, erklärt Axel Susen: "Aber man kann sich im Schnitt schon bis zu 50 Prozent sparen."

Kein leichter Weg
Der Weg dorthin ist jedoch nicht leicht. IT-Hersteller zeigen nicht das gleiche Wohlwollen wie die Autoproduzenten, wenn es um gebrauchte Software geht. In vielen Fällen ist somit der Softwarehändler Susen ein Mediator zwischen Hersteller, Verkäufer und Käufer.

IT-Hersteller selbst schuld
An dem unübersichtlichen Zustand sind die IT-Herstel-ler großteils selber schuld. Schon immer wurde versucht, mit Lizenzverträgen, Benutzerzahlen und Koppelung der Software an die Hardware den freien Handel zu hintertreiben. Auch versuchten die IT-Hersteller vielfach, sich gegenseitig auszutricksen. SAP Business One wird etwa mit der Hardware des Servers verschlüsselt, eine einfache Weitergabe ist hier ausgeschlossen.

Konsolidierung treibt den Gebrauchtmarkt an
Dass es jetzt zu einem massiven Angebot an Secondhand-Software kommt, liegt in der Verkaufspolitik der Hersteller und der geplatzten Dotcom-Blase. In den letzten eineinhalb Jahren durchliefen viele Anwender eine Konsolidierung, verbunden mit Software-Audits. Fast immer mit demselben Ergebnis: In der Euphorie über ein neues ERP-Programm wurden zu viele Lizenzen bestellt. 250 Mitarbeiter bedeuten eben nicht, dass man auch so viele Lizenzen braucht. Software-Audits stellen häufig fest, dass im Durchschnitt nie mehr als 50 Mitarbeiter gleichzeitig mit dem Programm arbeiteten.

Schwierige Aufgabe
"Die Rückgabe und der Handel mit Teillizenzen sind eine sehr schwierige Aufgabe, weil immer auch Wartungsverträge an solchen Paketen hängen", weiß Susen. Will ein Kunde nun einen Teil seiner Lizenzen wieder loswerden, versucht Susen auch zwischen dem Hersteller und dem Bestandskunden zu vermitteln. Er selbst kann helfen, indem er auch einmal ein ganzes Paket zurücknimmt und eine neue Lizenz anbietet: "Hat ein Kunde 1.000 Lizenzen und braucht aber nur noch 100, ist es oft schwierig, die 900 Lizenzen aus dem Vertrag herauszulösen. Wir versuchen dann, das ganze Paket zu übernehmen und dem Kunden ein neues, maßgeschneidertes Lizenzpaket zu liefern."

Secondhand-Dilemma
Das Problem der Überlizenzierung hat somit auch zum Secondhand-Dilemma geführt, verbunden mit den oft rigiden Verträgen. Oracle hat in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgehalten, dass die Software ausschließlich für eigene Geschäftszwecke eingesetzt werden darf. SAP lässt mitunter mit sich reden. Hier ist die Zuziehung eines Mediators hilfreich.

Firmenübernahmen steigen
Weitere Konsolidierungsschritte und Firmenübernahmen werden bei Profi-Software von Microsoft, Oracle & Co das Angebot an Secondhand-Software weiter steigen lassen. Als Anwender kann man von der jetzigen Marktbewegung fast nur profitieren. Erster Schritt zur Versilberung ungenutzter Software sind ein Blick in die Lizenzbestimmungen sowie ein Software-Audit (teils zu Fixpreisen) mit einem externen Berater. Als Ergebnis bekommt man einen Bericht über Auslastung und Nutzungsintensität der vorhandenen Software.

Es wird verhandelt
Im nächsten Schritt wird mit dem Lieferanten über die Herabsetzung der Lizenz- und Wartungsgebühren verhandelt. Wer hier auf taube Ohren stößt, sollte sich eben gleich vom Software-Mediator begleiten lassen. (Format)