EU-Parlament kippt umstrittene Richtlinie:
Fraktionen stimmen gegen Software-Patente

Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament die geplante Richtlinie zur Patentierung von computerimplementierten Erfindungen in zweiter Lesung gekippt. Die Fraktionen konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie in der Debatte um die so genannten Software-Patente einigen, wodurch man sich entschloss, gegen das Gesetz zu stimmen, um nicht einen schwachen Kompromiss zu verabschieden.

Die Richtlinie sollte Patente für Software nur unter der Bedingung einer "technischen Mitwirkung" erlauben, was beispielsweise bei Waschmaschinen oder Kontrollsystemen für Bremsen der Fall wäre. Kritiker des Gesetzestextes monierten jedoch unklare Formulierungen in dem Papier. Die Folge waren rund 170 Abänderungsanträge, mit denen die Fraktionen eine Präzisierung in die eine oder andere Richtung erreichen wollten. Als sich am Dienstag abzuzeichnen begann, dass sich keine Einigung ergeben würde, verständigten sich die Fraktionen darauf, den Vorschlag am Mittwoch abzusetzen.

"Eindeutiges Signal"
Der parlamentarische Berichterstatter Michel Rocard (SPE) sprach nach der Abstimmung von einem "eindeutigen Signal" an Rat und Kommission. Letztere hatte die Abänderungsanträge der Parlamentarier in erster Lesung nicht in die Richtlinie eingearbeitet, wie Rocard kritisierte. Er sprach von "sarkastischer Arroganz" der EU-Behörde.

Premiere im Parlament
Parlamentspräsident Josep Borrell sah das Parlament in Fragen der Gesetzgebung gestärkt: "Wir haben deutlich gemacht, dass wir als verfassungsgebendes Organ gleichberechtigt sind und entscheiden", meinte er. Der Parlamentspräsident bezeichnete den Akt des Parlaments als "Premiere": Die EU-Richtlinie zur Patentierung von computerimplementierten Erfindungen sei der erste gemeinsame Standpunkt des Rates, der vom Plenum in Straßburg abgelehnt wurde.

Abgeordnete sind zufrieden
Kritik an Kommission und Rat übten auch die österreichischen EU-Abgeordneten: Die Grüne Eva Lichtenberger sprach von einer "unzureichenden Vorlage", das Parlament habe bei der Richtlinie die "Notbremse" gezogen. Die SPÖ-Abgeordnete Maria Berger bezeichnete den Abstimmungsausgang als "richtig und vernünftig", und sah darin zugleich eine "Riesen-Niederlage" für Kommission und Rat. Der ÖVP-Abgeordnete Othmar Karas sah im Kippen der Richtlinie "die einzig mögliche Entscheidung", da es mit dem vom Rat vorgelegten gemeinsamen Standpunkt nicht möglich gewesen sei, eine Verbesserung zu erreichen.

Vereinheitlichung gefordert
Karas und Lichtenberger forderten statt der sektoralen Regelung für computerimplementierte Erfindungen eine Vereinheitlichung des europäischen Patentrechts. Lichtenberger interpretierte das Abstimmungsergebnis zudem als Aufforderung an das Europäische Patentamt (EPO), seine Praxis, schon jetzt Software zu patentieren, aufzugeben. Das EPO ist zwar keine EU-Behörde, habe aber die freiwillige Auflage, sich nach dem Parlament zu richten, so Lichtenberger.

WKÖ sieht "Armutszeugnis"
Die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) bezeichnete das Scheitern der Richtlinie als "Armutszeugnis" für das EU-Parlament. Dass sich das Parlament wegen eines Profilierungsstreites mit Rat und Kommission nicht zur Richtlinie durchringen konnte, sei "beschämend", so die WKO. (apa)